SPÖ und ÖVP haben nun je 13 Stimmen im ORF-Aufsichtsrat. Generaldirektor Wrabetz sieht keinen Politik-Einfluss.
Es ist die übliche Kopf-in-den-Sand-Taktik des ORF: Printmedien, Oppositionsparteien (wie am Dienstag die Neos in einem offenen Brief), ORF-Redakteure und zuletzt die ehemalige Stiftungsrats-Vorsitzende kritisieren den Einfluss der Parteien und vor allem der SPÖ auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – und der Betroffene tut, als ob er gar nicht wisse, wovon alle reden. Stolz präsentierte ORF-Chef Alexander Wrabetz am Dienstag eine neue App: die Nachrichtenseite ORF.on ist nun auf Smartphones (iPhones wie Android-Geräte) etwas bequemer via Gratis-App zu bedienen, bietet zusätzlich auch ausführliche Berichterstattung (Blogs, Audio, Video, Grafiken) zur EU-Wahl an, ähnelt optisch aber stark der ORF.on-Mobilversion.
Am Rande der Präsentation in der Wiener Sky Bar gab Wrabetz der Austria Presse Agentur zu Protokoll, von „Vorgaben“ aus Parteizentralen, wie zuletzt behauptet, habe er „keine Wahrnehmungen“ gemacht. Er lobte die Zusammenarbeit mit dem Stiftungsrat in den vergangenen vier Jahren und betonte, dass das auch in der kommenden Periode so sein werde. Diese beginnt heute, Mittwoch mit der konstituierenden Sitzung, bei der Casinos-Austria-Vorstand Dietmar Hoscher zum neuen Vorsitzenden und Karin Gutiérrez-Lobos zur neuen SPÖ-Freundeskreis-Leiterin ernannt werden soll. Beide hat sich die SPÖ gewünscht. Die bisherige Gremienchefin Brigitte Kulovits-Rupp, soll, so heißt es von mehreren Seiten, bei den Parteien zu wenig für den ORF lobbyiert haben. Vom neuen Stiftungsrats-Boss erwarte man sich da mehr Effizienz.
Medwenitsch übergibt an Zach
Dass sich Kulovits-Rupp am Montag zugleich mit ihrer Kritik an den SPÖ-Vorgaben auch zur parteiunabhängigen Stiftungsrätin erklärt hat, dürfte in erster Linie der ÖVP gefallen: Denn somit haben die Koalitionsparteien erstmals gleich viele Stimmen im Rat, nämlich jeweils 13 (neben vier Unabhängigen, zwei der FPÖ, je einer für Grüne, Team Stronach und Neos).
Am Dienstagabend gab Stiftungsrat Franz Medwenitsch, bisher Leiter des VP-Freundeskreises, überraschend bekannt, dass er diese Funktion an den ebenfalls bürgerlichen Rat und Unternehmensberater Thomas Zach abgeben wird. Es ist aber anzunehmen, dass Medwenitsch am Mittwoch als Vize-Vorsitzender des Stiftungsrates wiedergewählt wird. (awa)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2014)