Strafvollzug: Reformen laufen an

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Die Justiz-Baustelle „Straf- und Maßnahmenvollzug" macht Fortschritte: Das Team, das Reformen für geistig abnorme Rechtsbrecher entwickelt, ist komplett. Erste Sitzung: 26. Juni.

Ab sofort ist sie komplett - die Expertengruppe zur Reform des sogenannten Maßnahmenvollzugs. Unter „Maßnahme" versteht man eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Aktuell gibt es bundesweit etwa 850 eingewiesene Personen. Wie man diese - zuletzt stetig gestiegene - Anzahl absenken kann und wie man die Zustände innerhalb der Anstalten verbessern kann, sollen nun die von Justizminister Wolfgang Brandstetter auserkorenen Experten entscheiden. Zuletzt sorgte ja ein eingewiesener 73-Jähriger mit quasi „verwesenden" Beinen für Entsetzen, der Mann war stark vernachlässigt worden.

Das neue Team ist hochkarätig besetzt. Dazu gehören: Der Ex-Leiter der Justizanstalt Wien-Mittersteig (Sonderanstalt für den Maßnahmenvollzug) Wolfgang Gratz, der Leiter der Begutachtungsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter Reinhard Eher, der Innsbrucker Gesundheitspsychologe Salvatore Giacomuzzi, der frühere ärztliche Leiter der Maßnahmen-Anstalt Göllersdorf Hans Schanda, der Salzburger Psychiater Ernst Griebnitz sowie Vertreter des Justizministeriums, der Volksanwaltschaft und der Vollzugsdirektion.

Am 26. Juni tagt die Gruppe erstmals. Den Vorsitz hat Sektionschef Michael Schwanda vom Justizressort inne. Wenngleich das Team erst zu arbeiten beginnt, lässt sich schon sagen, dass es inhaltlich etwa um diese Frage gehen wird: Sollen Einweisungen künftig öfter bedingt (auf Bewährung) verhängt werden? So würden die betroffenen geistig abnormen Rechtsbrecher im privaten Umfeld verbleiben. Dies kann freilich nur bei enger therapeutischer Betreuung funktionieren. Es müssten also bundesweit Betreuungsnetzwerke geknüpft werden.

Wohngruppen statt U-Haft

Abgesehen vom Maßnahmenvollzug geht es bei Brandstetters Reformbestrebungen genauso auch um das - viel größere - Feld des Strafvollzugs. Jüngst wurde, wie berichtet, ein Koordinator für die Neuausrichtung des gesamten Vollzugs ins Kabinett geholt: Oberstaatsanwalt Erich Mayer. Er kam von der Korruptionsstaatsanwaltschaft und soll nun mit Sicht von außen an die Dinge herangehen. Mayer hat nun zum Beispiel das Wohngruppen-Projekt für jugendliche U-Häftlinge auf Schiene zu bringen. Dieses sieht vor, junge mutmaßliche Straftäter nicht in U-Haft und damit in ein Gefängnis sondern in eigene Wohneinheiten zu schleusen. Dort sollen die Jugendlichen von Sozialarbeitern betreut werden. Überlegt wird, ob man die Betroffenen zusätzlich mittels Fußfessel überwachen soll.
Einige Neuerungen im Jugendvollzug wurden bereits (teils schon vor Brandstetters Zeit) eingeführt und sind nun angelaufen: So gibt es etwa regelmäßige Sprechtage zwischen Gefängnispersonal und der Jugendanwaltschaft.

Auch wurde dafür gesorgt, dass junge Häftlinge (ab 14 ist man strafmündig), die in Haft selber Opfer werden (Gewalt, sexueller Missbrauch), umgehend über Opferrechte informiert werden müssen.
Als noch offene Baustelle für den Koordinator Mayer (er trat zuletzt als Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft in Erscheinung, musste immer wieder das gegen Karl-Heinz Grasser laufende Buwog-Verfahren erklären) gilt die Auflösung der Vollzugsdirektion (VD). Diese Auflösung hat Brandstetter bereits angeordnet. Der „Presse" erklärte der Minister in dem Zusammenhang, es solle im Strafvollzug „kein Stein auf dem anderen bleiben". Die VD, bei der derzeit noch die Fäden in der Strafvollzugs-Verwaltung zusammenlaufen, wird mit Jahresende Geschichte sein. Stattdessen wird es ab Jänner 2015 direkt im Ministerium eine neue Generaldirektion (GD) für den Strafvollzug (vergleichbar mit einer eigenen Sektion) geben.

Kampf um Spitzenjobs

Die 60-köpfige VD-Mannschaft soll im Großen und Ganzen ins Justizressort übersiedeln. Aber wer wird dann die neue GD leiten? Es ist stark zu vermuten, dass die Spitzenjobs (Leiter, stellvertretender Leiter) ausgeschrieben werden. Somit könnte sich Peter Prechtl, derzeit Chef der im Ministerium unbeliebten VD, neu bewerben. Aus seinem Umfeld heißt es aber, dass sich Prechtl den Gang in die Pension überlegt. Sein derzeitiger Vize Christian Timm gilt jedenfalls als Anwärter auf die neue GD-Spitze. Timm ist erst seit vorigem Jahr in der VD, gilt als unverbraucht und bringt Erfahrung als früherer Leiter des Gefängnisses Krems-Stein mit.

Er könnte aber (so er tatsächlich ins Rennen gehen wird) harte Konkurrenz bekommen - dann nämlich, wenn sich hohe Beamte aus der jetzigen Sektion III (Personal/Strafvollzug) bewerben.

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