EU-Topjob: Cameron will Abstimmung über Juncker erzwingen

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Die Regierungschefs sollen Farbe bekennen, verlangt der Gegner der Juncker-Kandidatur. Faymann: "Müssen Cameron notfalls überstimmen."

Der britische Premierminister David Cameron will im Streit über die Berufung Jean-Claude Junckers zum neuen EU-Kommissionschef nicht einlenken und eine Abstimmung erzwingen. Sollte es beim EU-Gipfel keine Bereitschaft zur Suche nach einem Alternativkandidaten geben, "dann sollte es zur Abstimmung kommen", sagte ein Regierungsmitarbeiter am Sonntag in London.

Die EU-Staats- und Regierungschefs treffen sich ab Donnerstag in Brüssel zu einem Gipfel, bei dem die Personalie auf der Agenda steht. Der Rat muss sich mit qualifizierter Mehrheit auf einen Kandidaten einigen, der dann noch vom EU-Parlament bestätigt werden muss.

Cameron versucht seit Wochen, Junckers Berufung zu verhindern. Nach seiner Darstellung ist der frühere luxemburgische Regierungschef nicht der Richtige, um die von London verlangte tiefgreifende EU-Reform einzuleiten.

Es wäre das erste Mal, dass der EU-Kommissionspräsident durch eine formelle Abstimmung im Europäischen Rat nominiert wird. Bis zum EU-Vertrag von Nizza, der Anfang 2003 in Kraft trat, galt bei dieser Entscheidung das Einstimmigkeitsprinzip. Doch auch danach wurde eine Mehrheitsentscheidung über den zu benennenden Kandidaten im Gremium der Staats- und Regierungschefs vermieden.

Am Samstag hatten sich in Paris neun sozialdemokratische Regierungschefs hinter Juncker gestellt, obwohl dieser der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) angehört und deren Spitzenkandidat bei der Europawahl war. Die Chance des konservativen Cameron, im Rat eine Sperrminorität gegen den Luxemburger zu schmieden, sind damit gesunken.

Der Premier halte es aber für "wichtig, dass jeder Staats- und Regierungschef seine Position klar darlegt", verlautete am Sonntag aus britischen Regierungskreisen. Deswegen sei eine Abstimmung erforderlich. Für Downing Street würden die Regierungen bei einer Berufung Junckers durch einen "Hinterzimmer-Deal" ihre Macht dem Parlament übertragen, was nicht akzeptiert werden könne.

"Cameron notfalls überstimmen"

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) betonte unterdessen seine Entschlossenheit in der Personalie. "Wenn Cameron gegen ihn stimmen will, müssen wir ihn notfalls überstimmen. Dann soll die Mehrheit für Juncker stimmen", sagte er der Tageszeitung "Österreich" (Sonntagsausgabe). Unklar ist, ob auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel es auf eine Abstimmung ankommen lassen will. Sie hatte sich erst auf Druck der öffentlichen Meinung in ihrem Land klar auf Juncker festgelegt und will einen Bruch mit Großbritannien möglichst vermeiden.

Cameron wird bei seinem Widerstand gegen Juncker bisher von Ungarn, Schweden und den Niederlanden unterstützt. Entscheidend ist das Verhalten Deutschlands. Sollte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei einer förmlichen Abstimmung über Juncker der Stimme enthalten, würde bei einem Nein der genannten vier Staaten die erforderliche qualifizierte Mehrheit von 260 der 352 Stimmen im Rat nicht mehr zustande kommen. Sollte Merkel für Juncker stimmen, bräuchte Cameron die Unterstützung von drei weiteren mittelgroßen Staaten neben Ungarn, Schweden und den Niederlanden.

Hintergrund von Camerons Widerstand gegen Juncker ist auch die große EU-Skepsis in der britischen Bevölkerung. Sollte er im kommenden Mai wiedergewählt werden, dann will Cameron die Briten 2017 über einen Ausstieg aus der EU oder einen Verbleib in der Gemeinschaft abstimmen lassen. Laut einer Umfrage des "Observer" würden derzeit 48 Prozent für den Ausstieg und 37 Prozent für den Verbleib in der EU stimmen.

(APA/AFP)

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