Al-Maliki warnt: Kurden sollen Situation nicht ausnützen

Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki spricht deutliche Worte in Richtung Kurden.
Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki spricht deutliche Worte in Richtung Kurden.(c) APA/EPA/ALI ABBAS
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"Wir benötigen verzweifelt US-Hilfe, um das Blatt zu wenden", heißt es aus Bagdad. Andernfalls müsse man bei anderen Ländern Hilfe suchen.

Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat die Kurden im Norden des Landes davor gewarnt, ihre Unabhängigkeit weiter voranzutreiben. Es werde niemandem erlaubt, die jetzige Situation auszunutzen, sagte Maliki am Mittwoch in seiner wöchentlichen TV-Ansprache in Bagdad. Zugleich rief der Premier eine Amnestie für all jene aus, "die an Aktionen gegen den Staat" beteiligt waren.

Diese gelte für alle Einzelpersonen und Stämme, mit Ausnahme jener, die gemordet hätten, fügte Maliki hinzu. Beobachter sehen in dem Schritt einen Versuch, die den sunnitischen ISIS-Extremisten die Unterstützung innerhalb der Bevölkerung zu entziehen. Priorität habe nach dem Vormarsch der ISIS der Kampf um die Sicherheit und Einheit des Landes. Daher müssten die von den Kurden im vergangenen Monat besetzten Gebiete um die Stadt Kirkuk unter die Kontrolle der Zentralregierung zurückkehren, erklärte Maliki.

"Natürliches Recht"

Der Präsident der kurdischen Autonomieregierung im Norden des Landes, Massoud Barzani, hatte zuvor ein Referendum über die Unabhängigkeit Kurdistans innerhalb von Monaten angekündigt. Ein eigener Staat sei ein "natürliches Recht" der Kurden, sagte er in einem Interview der BBC. Die irakischen Kurden genießen in ihrer Autonomieregion bereits große Eigenständigkeit.

Kurdische Peschmerga-Kämpfer hatten zudem im Juni die nordirakische Stadt Kirkuk besetzt. Sie gehört nicht zu den kurdischen Autonomiegebieten, wird aber von den Kurden beansprucht. Die Stadt 250 Kilometer nördlich von Bagdad ist strategisch wichtig, weil dort große Ölvorkommen liegen.

Irak bittet USA um größtere Unterstützung

Der Irak fordert von den USA stärkere Unterstützung im Kampf gegen die islamistischen ISIS-Milizen. Andernfalls müsse Bagdad bei anderen Ländern Hilfe suchen, sagte der irakische Botschafter in Washington, Lukman Faily, offenbar mit Blick auf den Iran und Russland.

"Wir benötigen verzweifelt US-Hilfe, um das Blatt zu wenden", sagte er nach Angaben der Zeitung "The Hill" am Dienstag. So habe Bagdad etwa mehrfach um die Lieferung von Kampfhubschraubern gebeten. Stattdessen habe man aus Russland Kampfjets erhalten. "Wir haben keine Wahl", sagte der Botschafter. Die Lage zwinge die Regierung in Bagdad, von jeder Seite Hilfe anzunehmen.

Die erste Sitzung des neu gewählten irakischen Parlaments wurde am Dienstag nach einem heftigen Wortwechsel der Abgeordneten auf die nächste Woche vertagt. Die Mitglieder des Hauses konnten sich nicht auf einen Kandidaten für das Amt des Parlamentspräsidenten einigen. Kurdische und sunnitischen Abgeordnete verließen aus Protest die Sitzung, wie irakische Medien berichteten.

"Mitunter ist Demokratie chaotisch"

Hauptaufgabe des irakischen Parlaments ist die Wahl einer neuen politischen Führung. Sie gilt als wesentliche Voraussetzung, um den Vormarsch der ISIS-Milizen stoppen zu können. Der umstrittene schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki ist seit 2006 im Amt und möchte wiedergewählt werden. Seine Rechtsstaats-Allianz hatte bei den Wahlen Ende April als stärkste Kraft abgeschnitten. Ihm fehlen aber für eine Wiederwahl Koalitionspartner.

Schiitische, sunnitische und kurdische Politiker fordern Al-Malikis Rückzug. Sie werfen ihm vor, seine von Schiiten dominierte Regierung diskriminiere Sunniten und habe so den Boden für den ISIS-Vormarsch bereitet. Der Regierungschef ist im Irak ein Schiit, der Präsident ein Kurde und der Parlamentspräsident ein Sunnit.

Die USA haben den Fehlstart im neu gewählten irakischen Parlament heruntergespielt. "Mitunter ist Demokratie chaotisch", sagte Außenamtssprecherin Marie Harf am Dienstag in Washington.

1531 tote Zivilisten

Die Kämpfe zwischen Armee und Isis-Extremisten haben im Juni so viele Opfer unter der irakischen Zivilbevölkerung gefordert wie noch nie in diesem Jahr. Unter den insgesamt 2400 Toten waren 1531 Zivilisten, wie die UN-Mission im Irak (Unami) am Dienstag mitteilte. Laut Unami wurden zudem fast 2300 Menschen verletzt, darunter mehr als 1700 Zivilisten.

Die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) hatte Anfang Juni ihren Vormarsch begonnen. Sie beherrscht mittlerweile große Landesteile im Norden und Westen des Irak. Armee und ISIS-Einheiten liefern sich seit Tagen heftige Gefechte, vor allem um die Stadt Tikrit 170 nordwestlich von Bagdad.

(APA/dpa)

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