Keine Ideen, eine unzufriedene Basis, Konkurrenz von links und rechts und demnächst eine Nachfolgerdebatte: Welche Probleme der neue Landesparteisekretär, Georg Niedermühlbichler, lösen muss.
Wien. Der Mann ist gefunden, die Lösung noch nicht. So lässt sich die Lage der Wiener SPÖ zusammenfassen. Auf Georg Niedermühlbichler, den neuen, auf Vorschusslorbeeren gebetteten Landesparteisekretär, kommt nicht nur eine Schicksalswahl, sondern auch viel Basisarbeit zu. Vier Hausaufgaben muss der Parteimanager lösen:
• Die Mobilisierungsschwäche: Die SPÖ sagt es nicht, aber sie weiß: Die Rückeroberung der Absoluten, die man zur Gemeinderatswahl 2015 als Ziel ausgegeben hat, ist unrealistisch. Dagegen sprechen u.a. eine neue Partei (Neos), die es ins Ratshaus schaffen wird, und der drohende SPÖ-Mandatsverlust aufgrund der versprochenen Wahlrechtsreform. Beides nimmt sich aber gegen einen anderen Faktor harmlos aus: den Nichtwähler. Denn weder die groß inszenierte Wiener Befragung (zur Privatisierung etc.) im Jahr der Nationalratswahl noch die Hausbesuche vor der EU-Wahl brachten Erfolg an der Urne. Bei beiden Wahlen schnitt man bescheiden ab. Auch SPÖ-intern klappt die Mobilisierung nicht so recht. Laut Bürgermeister-Schätzung ist ein Viertel der Genossen mit Rot-Grün unzufrieden, und auch sonst fehlt der Enthusiasmus: Der neue Parteimanager müsse „die Heizung aufdrehen, denn derzeit ist es in der Partei kalt“, umschreibt es ein Genosse.
• Das Doppelmühlen-Dilemma: An den Flächenbezirken knabbert die FPÖ, und im innerstädtischen Raum reüssieren die Grünen. Die SPÖ ist in der Zwickmühle und weiß nicht so recht, wie sie sich in beide Richtungen gleichzeitig abgrenzen soll. Während die Grünen die Regierungsbank geschickt als Bühne nutzen, hat die Koalition der SPÖ beinahe ein mediales Mauerblümchendasein beschert. Das hat freilich auch mit dem nächsten Punkt zu tun.
• Die fehlende Idee: Die Mariahilfer Straße hat den Grünen viel Ärger, aber letztlich Erfolg und Aufmerksamkeit gebracht. Der SPÖ fehlt dagegen ein Projekt, das konkret veranschaulicht, wofür sie steht. Die bisher bekannten Vorhaben taugen für den Wahlkampf nur bedingt. Der U5-Bau startet erst 2018, die „Gratis-Nachhilfe“ wurde durch das Faktum konterkariert, dass gleichzeitig aus Spargründen Zusatzangebote an den Schulen (z.B. Begabtenförderung) gekürzt werden sollen. Umso mehr muss das Thema Wohnen (für das Niedermühlbichler als Präsident der Mietervereinigung steht) im Wahlkampf eine Rolle spielen. Allein: Für eine Mietrechtsreform braucht Wien den Bund. Das gilt auch für das zweite große Thema, von dem sich die Wiener SPÖ Auftrieb erhofft: eine Steuerreform. Wenn sie nicht kommt, hat das Rote Wien ein Problem. Und wird noch mehr versuchen, sich von der eher unglücklichen Bundes-SPÖ zu distanzieren und abzuheben. Die Frage ist bloß: womit?
• Die Nachfolgerdebatte: Durch eigene Andeutungen (für die er sich später bei den Genossen entschuldigte) hat Häupl Gerüchte bestärkt, dass er die Legislaturperiode nicht zu Ende bringen wird. Was potenzielle Wähler verunsichern könnte. Denn ein Nachfolger wurde nicht aufgebaut. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig gilt als Favorit, aber wäre man in der SPÖ von ihm überzeugt, würde nicht regelmäßig Sozialminister Rudolf Hundstorfer, ein Beinahe-Altersgenosse von Häupl, als Kandidat ins Spiel gebracht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2014)