Wie man kulinarische Trends setzt

Koch macht eine Suppe
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Mit ein bisschen mehr Mut würden wir kulinarisch auch international stärker mitmischen.

Wald gibt es genug. Daran kann es also nicht liegen, dass Österreich bei kulinarischen Trends etwas hinterherhinkt. Denn während die skandinavischen Länder – allen voran das berühmte, weil beste Restaurant der Welt, Noma in Kopenhagen, oder das Fäviken Magasinet in der schwedischen Einöde – seit Jahren die Regionalität beim Wort nehmen und in den Wald, auf die Wiese, vor die eigene Eingangstür oder sonst wohin zum Kochen gehen, kommt dieser Trend bei uns erst mit Verspätung und sehr verhalten an.

Gut, Wiesenkräuter, essbare Blüten und das eine oder andere Schwammerl finden sich schon länger auf heimischen Speisekarten. Aber so wirklich richtig den Wald einzukochen, wie das etwa der gebürtige Tiroler und Koch der schwedischen Botschaft, Christoph Fink – der nur eine kurze Zwischenstation im Joseph-Bistro auf der Landstraßer Hauptstraße eingelegt hat – im Rahmen der Waldtour getan hat (s. oben), bleibt eben leider noch die Ausnahme.


Der Ruf wäre schon da.
Schade eigentlich, denn nicht nur, dass die Hardware, also die Zutaten, die sich in Wald, Wiese, auf Almen oder in Flüssen und Seen finden, reichlich vorhanden wären. Auch im Ausland wird Österreich gern mit der wunderschönen Naturlandschaft assoziiert, mit saftigen Wiesen, Seen mit Trinkwasserqualität und gemütlichen Menschen, die einen Sinn für Genuss und gute, handwerklich produzierte Lebensmittel haben. Den Gästen müssten wir also eigentlich gar nicht lange erklären, warum wir jetzt auf Jakobsmuscheln und Co. verzichten und stattdessen Tannenwipfel oder alte Gemüsesorten einkochen. Bei den Einheimischen ist der Erklärungsbedarf schon etwas größer.

Warum das so ist, lässt sich nur schwer sagen. Gründe dafür gibt es viele. Das Argument „Weil es immer schon so war“ ist hierzulande meist recht schnell bei der Hand. Vielleicht liegt aber auch das Gute einfach zu nah.

So kommt es, dass es Händler, die auf regionale Spezialitäten setzen, wie etwa der Käseexperte Stephan Gruber, ohne Kunden in den Städten – allen voran Wien – schwer hätten. Die Bevölkerung vor Ort, also jene Menschen, die meist nur ein paar Autominuten von den Produzenten entfernt wohnen, ziehen nämlich immer noch die Produkte aus dem Diskonter oder Supermarkt vor. Begründet wird das gern mit Preis oder Bequemlichkeit.

Aber es wird. Auch hierzulande steigt die Zahl an kulinarisch interessierten Menschen, die jene Spezialitäten wieder schätzen, die vor Ort wachsen oder produziert werden. Aber meistens passiert das eben erst, nachdem einmal ins Ausland geschaut worden ist. Irgendwie scheint es fast so, als würden wir unserer eigenen Urteilskraft nicht trauen.


Stolz auf gutes Essen.
Der Prophet im eigenen Land ist eben auch kulinarisch weniger wert. Davon können viele Spitzenköche, die erst nach einem erfolgreichen Auslandsaufenthalt in Österreich mit offenen Armen aufgenommen werden, ein Lied singen.

Was in Österreich wohl fehlt, sind das Bewusstsein für und der Stolz auf gutes Essen. Damit haben etwa die Italiener, Franzosen, aber auch die Spanier oder Skandinavier weit weniger ein Problem. Essen ist dort auch historisch ein wichtiges Thema, auf das man stolz ist.

Aber es wird, es tut sich etwas. Natürlich ist es wenig sinnvoll, wenn jetzt alle Köche in den Wald schwärmen und nicht nur Kräuter, Beeren und Pilze, sondern auch Nadeln, Laub und Hölzer sammeln. Damit hätten nebenbei bemerkt ebenfalls die Österreichischen Bundesforste, die einen Großteil der heimischen Wälder betreuen, wenig Freude. Deren Anregungen, die sie durch die Waldtour (siehe oben) liefern, dürfen zwar gern übernommen werden. Immerhin liegt es aber auch in deren Interesse, dass sich die Menschen wieder verstärkt mit der Natur auseinandersetzen, beklagen sie doch seit Jahren einen Wissensverlust, speziell bei Städtern. Das Sammeln von Waldschätzen ist allerdings nur in Haushaltsmengen erlaubt. Und auch die örtlichen Bestimmungen und Naturschutzgesetze sind einzuhalten. So ist etwa das – bei Hobbylikörmachern beliebte – Sammeln von Zirbenzapfen (je nach Bundesland) meist sehr streng reguliert.

Den Wald jetzt zu plündern ist also auch keine Lösung, ebenso wenig wie bereits bestehende Trends nachzumachen. Aber man kann den aktuellen Trend hinsichtlich Regionalität, Ursprünglichkeit und der ohnehin vorhandenen Schätze aus der Natur als eine Art Bestätigung dafür sehen, dass unsere Voraussetzungen nicht die schlechtesten sind. Und als Bestätigung dafür, dass man nicht immer an weit entfernten, bereits etablierten Dingen wie Kaviar, Jakobsmuscheln oder Gänseleber festhalten muss.


Genug Burger.
Nur weil irgendjemand einmal diese Produkte zum Nonplusultra der Spitzengastronomie erkoren hat, heißt das nicht, dass das so bleiben muss. Und nur – um ein anderes Beispiel zu bringen – weil gerade überall Burger gegrillt werden, muss das nicht zwangsläufig so weitergehen. Manchmal darf eben auch etwas Neues her, das tut nicht nur dem Gaumen gut, sondern kann auch eine Chance für die heimische Gastronomie sein. Und dafür braucht es manchmal eben ein bisschen Mut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2014)

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