Zahlen sind zu wenig: Wie man Qualität vermisst

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In die Berechnung von Lebensqualität fließen mehr subjektive Faktoren ein.

Wien. Die Lebensqualität in Wien ist spitze. Glaubt man der so gern zitierten Mercer-Studie, die sich mit der Lebensqualität von Mitarbeitern internationaler Konzerne, die hierher kommen, befasst, liegt Wien seit Jahren auf Platz eins. Und irgendwas dürfte es mit der Qualität schon auf sich haben: Im Ranking von UN-Habitat, im Smart Cities-Ranking, im „Global Cities Index 2014“ von AT Kearney oder im Ranking „Best cities for young people to live in“ der US-Plattform list25.com – Wien ist stets auf Toprängen.

Wie viel aber sagen diese aus? Wie viel haben etwa Angebote für Manager mit dem Leben der Durchschnittswiener zu tun? Und lässt sich subjektiv empfundene Lebensqualität Einzelner in ein Zahlenkorsett schnüren? Geht es um solche Erhebungen, herrscht ein Umdenken. Weg von wirtschaftlichen Parametern allein als Indikator für Erfolg, Wohlstand und letztlich Lebensqualität.

„Das BIP, die in Geld messbare Wertschöpfung, greift zu kurz, das ist nicht gleich der Zugewinn an Lebensqualität“, sagt Konrad Pesendorfer, der Direktor der Statistik Austria. Die Statistiker haben das BIP um 30 Indikatoren ergänzt, anhand derer die Studie „Wie geht's Österreich?“ entsteht. Es geht dabei um materielle Fragen, Lebensqualität, Nachhaltigkeit. Was trägt zur Lebensqualität bei? Bildung, als Voraussetzung für finanzielle Sicherheit oder gesündere Ernährung. Alter, Gesundheit, Partnerschaft, soziales Umfeld, Umwelt-, Verkehrs- oder Wohnsituation, oder die subjektive Sicherheit. „Die Lebensqualität ist stark subjektiv. Wir müssen diese Sicht stärker einbeziehen. Das BIP ist wichtig, aber es geht um eine Erweiterung um nichtmonetäre Faktoren“, sagt Pesendorfer. Und darum, das Befinden Einzelner abzufragen statt nur objektive Daten. Kann die empfundene Lebensqualität zweier Menschen in der objektiv gleichen Situation doch sehr unterschiedlich sein.

Daten subjektivieren

Mehr Augenmerk auf Befindlichkeiten als auf Zahlen, diese Richtung haben auch Soziologen der Uni Wien und des Ifes eingeschlagen: Im Auftrag der Stadt wurden 8000 Wiener für die Studie „Lebensqualität in Wien im 21. Jahrhundert“ befragt und mit Studien kombiniert. „Grund dafür war, nicht nur Wirtschaftsparameter einzubeziehen. Man muss solche Erhebungen subjektivieren“, sagt Gert Feistritzer, der Ifes-Projektleiter. Resultate sollen demnächst vorliegen. So viel vorab: Die Tendenz all der Rankings dürfte so falsch nicht sein: Die Wiener beurteilen die Lebensqualität besser als vor fünf Jahren: Vor allem kulturelles Angebot, Kinderbetreuung, berufliche Chancen oder öffentliche Sicherheit. Verschlechtert habe sich hingegen die Wohnsituation. (cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2014)

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