Städtebau: Lebe (und baue) lieber intelligent

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Wie erhält man Lebensqualität in der Großstadt, wenn die Bevölkerung wächst, Raum knapp und teuer wird? Die Antwort heißt: Verdichten, Raum intelligenter und gemeinsam nutzen.

Wien. Die Stadt wächst. 2030 werden in Wien, sofern die Prognosen stimmen, zwei Millionen Menschen leben. Der Lebensraum wird knapp, und schon jetzt steigen die Mieten auf dem privaten Sektor enorm. Junge Menschen, Ärmere, Familien oder Alleinerziehende finden oft kaum mehr finanzierbare und attraktive Wohnungen. Denn auch im geförderten Wohnbau wird es eng, er erfährt massiven Zustrom, Gemeindebauten will Wien nicht mehr bauen, da Genossenschaften das Geld effektiver einsetzen.

Aber es gibt Ideen gegen dieses Dilemma: sogenannte Smartwohnungen. Das Prinzip: Die Wohnungen sind kleiner, damit günstiger, aber intelligenter geplant – versprechen also dieselbe Lebensqualität wie größere, ungünstig angelegte Wohnungen. Durch „intelligente Planung“ oder „intelligente Grundrisse“ werden etwa Abstellräume im Gang errichtet oder ganz eingespart, dafür erhält der Mieter ein größeres Kellerabteil. Der Stauraum bleibt, der nutzbare Wohnraum auch – bloß die Miete wird weniger. Auch baut die Stadt bei diesen Wohnungen Balkons statt Loggien, denn Balkons zählen anders als Loggien nicht zur Wohnfläche, halten die Miete also geringer. Dazu entstehen mehr gemeinsam nutzbare Räume. Und: Smartwohnungen werden speziell gefördert: Die Miete beträgt maximal 7,50 Euro pro Quadratmeter. Die Eigenmittel sind geringer als für Genossenschaftswohnungen.

Günstigere Miete für weniger Raum dank intelligenter Aufteilung und mehr gemeinsamer Fläche – das ist quasi die Grundidee der intelligenten Planung und damit eine Antwort auf die Frage, wie sich hohe Grundstückspreise kompensieren lassen, erklärt TU-Professor Christian Kühn. Auch, indem etwa gewisse Nutzungen ausgelagert werden. Bei manchen Projekten gibt es eigene Gemeinschaftswohnungen, in denen Bewohner ihre Gäste einquartieren können, sich so ein Gästezimmer ersparen. „Die gemeinsame Nutzung ist ein Zeichen intelligenter Planung. In dicht bebauten Gebieten ist es ein Trend, nicht mehr zu besitzen, sondern nur Zugriff zu haben“, so Kühn. Da spiegelt sich im Wohnbau jener Trend wider, den es etwa bei Mobilität – Stichwort Carsharing – längst gibt.

Im Sonnwendviertel beim neuen Hauptbahnhof etwa entsteht ab Oktober so ein Projekt mit 148 Wohneinheiten – mit großzügigem grünen Innenhof oder mit Dachterrassen, die zwar abgetrennt sind, um Privatsphäre zu schaffen, aber von allen Bewohnern nutzbar sind, erklärt Roland Benesch, Projektleiter vom Architekturbüro Geiswinkler & Geiswinkler, das diese Wohnungen geplant hat. Dazu kommt die kompakte, flexible Planung: Eine rechtwinkelige Anordnung spart Platz und verringert die Gangflächen. In den Vorräumen sind großzügige Wohnküchen integriert. Und: Die Wohnungen sind flexibel. Bei Familienzuwachs können leicht Zwischenwände eingezogen werden. Oder, es gibt Wohnungen mit Einliegewohnung: einem Zimmer mit eigenem Eingang und Sanitärbereich, etwa für pflegebedürftige Angehörige.

2000 schlaue Wohnungen

Bei dem Projekt im Sonnwendviertel sind zwei Drittel der Wohnungen „smart“, der Rest sind konventionelle geförderte Wohnungen. Denn um die soziale Durchmischung sicherzustellen, werden in Wien keine Smartsiedlungen analog den Gemeindebauten errichtet.
Vielmehr wird bei Projekten im geförderten Wohnbau ein gewisser Prozentsatz an Smartwohnungen mitgeplant. Und die Stadt setzt massiv auf dieses Instrument. Die ersten Wohnungen sind bereits in Bau, bis Ende des Jahres sollen 2000 Smartwohnungen, verteilt über Wien, übergeben werden.

Veröffentlichen auch Sie Ihre besten Ideen für Österreich: diepresse.com/99ideen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

#99ideen

Zahlen sind zu wenig: Wie man Qualität vermisst

In die Berechnung von Lebensqualität fließen mehr subjektive Faktoren ein.
Robert Mittermair
#99ideen

Soziales: „Kein Mandala-Malen im Hinterhof“

Wie ermöglicht man psychisch Kranken mehr Lebensqualität? Mit individuellen Wohnmöglichkeiten, die die Psychiatrie ersetzen, mit stabilen Bindungen, mit sinnvoller Beschäftigung. Aber solche Angebote sind knapp.
Home

Öffentlicher Raum: „Guerillabewegungen können ein Funke sein“

Öffentliche Plätze brauchten eine „leichte Form der Regulierung“, sagt Stadtforscher Ash Amin. Er kritisiert die Privatisierung des öffentlichen Raums. Bürgerbewegungen könnten ihn aber zurückerobern.
Koch macht eine Suppe
#99ideen

Wie man kulinarische Trends setzt

Mit ein bisschen mehr Mut würden wir kulinarisch auch international stärker mitmischen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.