Überinvestition: Chinas Wirtschaft bleibt anfällig

CHINA ECONOMY
CHINA ECONOMY(c) EPA (ADRIAN BRADSHAW)
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Noch immer bläht Peking die Wirtschaft künstlich auf. Die Landung könnte umso härter ausfallen.

Peking. Auf den ersten Blick scheint sich Chinas Wirtschaft zu erholen. Nach für chinesische Verhältnisse eher schwachen Wintermonaten lag das Wachstum im zweiten Quartal bei 7,5 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte höher als im ersten Quartal. Das entspricht genau dem anvisierten Jahreswert der chinesischen Führung. Im Juli konnte der Exportweltmeister zudem seine Ausfuhren um 14,5 Prozent steigern und damit einen neuen Rekordüberschuss in der Handelsbilanz erzielen. Die Gewinne der chinesischen Industrieunternehmen legten im Juni im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent zu. Doch Ökonomen interpretieren diese Daten alles andere als positiv.
„Der moderate Aufschwung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass China mit strukturellen Problemen kämpft“, warnt Thomas Gitzel, Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank. Noch skeptischer interpretiert Michael Pettis, US-Finanzwissenschaftler an der Peking-Universität, die jüngsten Daten: „China kann das bisherige Niveau von Überinvestitionen nicht mehr viel länger fortsetzen.“
Tatsächlich hat sich die chinesische Führung zu Jahresbeginn ganz andere Ziele gesetzt. Nach Jahren des Turbowachstums, das auf staatlichen Überinvestitionen, einer immer höheren Kreditvergabe und dem Raubbau an der Natur basierte, wollte sie einen Gang zurückschalten. Denn die Folge dieser wachstumsgetriebenen Wirtschaftspolitik waren Überkapazitäten und steigende Schulden. Für 2014 hatte sie einen umfassenden Strukturwandel vorgesehen.

Hohe Abhängigkeit von Exporten


Die Industrie der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft sollte umweltfreundlicher und kreativer werden. Peking wollte den privaten Mittelstand stärken und die aufgeblähten Staatsunternehmen schwächen. Konsum sowie Dienstleistungen und damit der Binnenmarkt sollten eine größere Rolle spielen als bisher. Das würde auch die hohe Abhängigkeit vom Export verringern.
Stattdessen ist die Volksrepublik in ihr altes Muster zurückgekehrt. Eine Reihe von Konjunkturdaten belegt, dass Peking die Wirtschaft künstlich anheizt. Daten der Zentralbank zufolge haben die Staatsbanken im Mai und Juni die Geldmenge deutlich ausgeweitet. Im Juli brach die Kreditvergabe überraschend wieder ein. Das zeugt von einer labilen Wirtschaftslage. Ökonomen vermuten, dass die staatlichen Investitionen erneut in die Höhe geschossen sind, obwohl viele der staatlich dominierten Branchen weiter unter Überkapazitäten leiden, darunter der Stahl- und Bausektor. Die Privatwirtschaft hingegen hält sich mit Investitionen zurück.
Analysten der Investmentbank Nomura sprechen von einem „versteckten Konjunkturpaket“, das aber nicht die gewünschte Wirkung erzielt. „Weniger wäre mehr“, kritisiert Finanzwissenschaftler Pettis. Dass im Gegensatz zu den Rekordüberschüssen beim Export die Importe um 1,6 Prozent gesunken sind, verstärkt den Eindruck, dass Chinas Binnenwirtschaft schwächelt. Um die Überkapazitäten abzubauen und eine harte Landung zu verhindern, rät Ökonom Pettis zu einer Politik, die noch niedrigere Wachstumsraten zulässt. Um einen wirklichen Wandel einzuleiten, müsste laut Pettis das Wachstum auf drei bis vier Prozent fallen.

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