Sprechtag: Vorsprechen beim neuen ÖVP-Chef

Mitterlehner
Mitterlehner(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Reinhold Mitterlehner versucht, sich volksnäher zu präsentieren als sein eher distanzierter Vorgänger. Besuch bei einem Sprechtag in seiner Mühlviertler Heimat.

Rohrbach. Der Gehsteig vor dem Gasthaus Bertlwiesers im oberösterreichischen Rohrbach ist plötzlich nicht mehr breit genug. Ein Teil der Menschentraube weicht auf die Straße aus. Denn diesmal nehmen nicht nur die „gewöhnlichen“ Bürger Reinhold Mitterlehner in seinem Heimatbezirk in Empfang. Auch so mancher Bezirkspolitiker und Bürgermeister will einen Blick auf den designierten ÖVP-Chef erhaschen.

Rohrbachs Bürgermeister Josef Hauer ergreift als Erster das Wort: „Dass ich noch einmal einen Vizekanzler hier begrüßen darf, damit hab ich nicht gerechnet.“ „Noch-Nicht-Vizekanzler“, beeilt sich Mitterlehner zu korrigieren. Der Euphorie des Bürgermeisters tut das aber keinen Abbruch: „Es war schon immer klar, dass aus dir noch etwas wird.“ (Per Du sind hier übrigens die meisten mit Mitterlehner.) Neben schmeichelhaften Worten gibt es auch noch ein Geschenk für den neuen (designierten) ÖVP-Chef: einen Mühlviertler Granit. „Das soll dich daran erinnern, immer hart zu bleiben – auch gegen die ÖVP-Landeshauptleute“, sagt Hauer.

Dass Mitterlehner nur drei Tage nach der Kür zum Parteiobmann und noch während der Diskussionen über das neue Regierungsteam seinen Heimatbezirk besucht, ist Zufall. Der Termin war schon lange geplant: Wieder einmal stand der sogenannte Sprechtag auf dem Programm. Diesen hält der Wirtschafts-und Wissenschaftsminister dort nach wie vor circa einmal pro Jahr ab. Immerhin ist er nach wie vor ÖVP-Bezirksparteiobmann von Rohrbach.

Sprechstunde und Tarockrunde

Den Termin mit den Bürgern angesichts der Ereignisse der vergangenen Tage zu verschieben, kam für den neuen Parteichef jedenfalls nicht infrage. Denn auch, wenn Mitterlehner immer wieder betonte, dass das Ganze kein PR-Termin sei – eines ist klar: Bürgernähe verkauft sich gut. Und ist in der krisengebeutelten ÖVP in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen, wie viele Bürger geklagt haben. Michael Spindelegger war nicht der Typ „Stammtischpolitiker“. Reinhold Mitterlehner ist es schon eher. Er legt sogar Wert darauf, den Journalisten von seiner Tarock-Kartenrunde zu erzählen. (Die nächste wird er voraussichtlich gegen den Bürgermeister seiner Heimatgemeinde spielen.)

Zum Sprechtag haben sich diesmal acht Personen angemeldet. Karin Wakolbingers Termin ist von 10.40 bis 10.50 Uhr angesetzt. Die 31-jährige Mutter zweier Kinder will mit dem Wirtschaftsminister über das Kinderbetreuungsgeld reden und ihm vielleicht „ein paar Gedankenanstöße mitgeben“. Dafür darf sie mit ihm in einem Extrazimmer des Gasthauses Platz nehmen. Zuhören darf niemand. Zusehen kann man durch die Glastür.

Mitterlehner hört sich die Probleme an, blättert in seinen Unterlagen, antwortet mit verständnisvollem Blick. Das hinterlässt Eindruck: Als Wakolbinger nach zehn Minuten den Raum verlässt, erzählt sie von einem „total positiven Gespräch“. Mitterlehner habe ihr sogar versprochen, mit Familienministerin Sophie Karmasin über ihr Anliegen zu sprechen. Und: „Sehr nett“ sei er.

Das sagen sie nach ihren zehn Minuten alle. Eine ältere Dame freut sich, dass man unter Mühlviertlern nicht Hochdeutsch, sondern im Dialekt sprechen könne. „Da redet es sich gleich viel leichter.“ Ein älterer, zittriger Herr, der sich beim Gehen auf eine Krücke stützen muss, ist auch zufrieden. Ihm wurde der Führerschein abgenommen. Das hat er mit Minister Mitterlehner besprochen. Lösung gibt es aber noch keine. Josef Schlögl wiederum ist gar nicht in eigener Sache zum Sprechtag des Bezirksparteichefs gekommen– es geht um seinen Sohn. Dieser schreibt in Wien gerade an seiner Dissertation im Fach Geschichte. Weshalb der Vater einmal beim Minister und Cartellverband-Kollegen Mitterlehner nachfragt, welche Jobchancen er für den Sohn sieht. (Der vom Vorhaben des Vaters übrigens nichts weiß.)

„Eine Partei zum Angreifen“

Nach eineinviertel Stunden sind gegen Freitagmittag jedenfalls alle zufrieden – der neue ÖVP-Chef inklusive. Die Leute kämen mitunter auch mit sehr persönlichen Problemen zu ihm, sagt Mitterlehner. „Die Sprechstunden sind fast wie Arztbesuche.“ Warum veranstaltet er die Sprechtage überhaupt? „Wir sind – wie der Name schon sagt – eine Volkspartei. Eine Partei zum Angreifen“, sagt der neue Parteichef. Und zumindest in seiner Heimat kommt die betont volksnahe und witzige Art Mitterlehners ganz gut an.

Betont witzig ist jedenfalls auch die Replik auf allerlei Fragen nach dem zukünftigen Finanzminister (siehe auch Seite 2). Mitterlehner: „Unter den Bürgern beim Sprechtag hat sich zumindest keiner beworben.“

AUF EINEN BLICK

Sprechtag. Der designierte ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist nach wie vor ÖVP-Bezirksparteichef von Rohrbach (Oberösterreich). Bei der Nationalratswahl im Vorjahr erreichte die Volkspartei dort 41,3 Prozent. In seiner Funktion als Bezirksparteiobmann hält der Wirtschafts- und Wissenschaftsminister etwa einmal pro Jahr einen Sprechtag im Bezirk ab. Jeder angemeldete Bürger bekommt zehn Minuten, um ihm seine Anliegen zu schildern. Mitterlehner stammt aus dem Bezirk, konkret aus der 500-Einwohner-Gemeinde Ahorn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

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