Franz Welser-Möst: Die Staatsoper ohne »General«

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Franz Welser-Mösts Rücktritt bedeutet nicht, dass seine Position als Generalmusikdirektor nachbesetzt werden muss. Aber es gilt, Dirigenten für 34 kurzfristige Einsätze zu finden.

Nicht mit einem fulminanten Saisonauftakt vom Dirigentenpult aus, mit einem Paukenschlag ließ Franz Welser-Möst Wiens Musikfreunde aufhorchen. Er will seine Aufgabe als Generalmusikdirektor der Staatsoper nicht mehr wahrnehmen.

Anlässlich seiner Bestellung an der Seite Dominique Meyers hatten sich viele gefreut, nach langer Zeit einen heimischen Künstler in einer führenden Funktion im Wiener Musikleben zu sehen. Einen vielseitigen dazu, der sich in seiner Zeit an der Seite von Alexander Pereira in Zürich ein breites Repertoire erarbeiten konnte, das von Mozart bis zur Moderne reichte und italienische, deutsche wie französische und russische Opern einschloss.

Von Zürich aus landete Welser-Möst auch einen Coup, der letztendlich für seinen Aufstieg zum Generalmusikdirektor entscheidend werden sollte: Über Nacht übernahm er Staatsopern-Aufführungen von Wagners „Tristan und Isolde“ von Christian Thielemann – und reüssierte glänzend. Der damalige Staatsopernchef Ioan Holender betraute ihn daraufhin mit der Einstudierung des neuen „Rings des Nibelungen“. Nachfolger Dominique Meyer holte ihn dann an seine Seite und ließ ihm für seine Produktionen freie Hand: Von Mozart und Wagner über einen Janáček-Zyklus, den sich Welser-Möst ausdrücklich wünschte, bis hin zu Puccini, Alban Berg oder Paul Hindemith.

Die Vielseitigkeit Welser-Mösts, allseits gewürdigt, war der Grund, warum man überhaupt daran dachte, dem Haus wieder einen Generalmusikdirektor zu geben. Die Staatsoper hat lange Jahre ohne einen solchen gelebt.
Was Welser-Möst dazu bewegt hat, überfallsartig eine so problematische Entscheidung zu treffen, ist schwer zu durchschauen. Man sei sich in der Direktionsetage über die künstlerische Konzeption nicht einig geworden, heißt es. Woran es wohl lag, dass der Dirigent seine Kompetenzen in den vergangenen vier Jahren nicht wahrnehmen konnte, genügend Vorstellungen im Haus zu erleben, bei Vorsingen dabei zu sein, die Spielplanzukunft aktiv mitzubestimmen?

Natürlich ist es für einen international aktiven Künstler nicht leicht, als Generalmusikdirektor zu wirken, wenn er gleichzeitig eine monatelange Anwesenheitspflicht bei seinem Konzertorchester, dem amerikanischen Cleveland Orchestra, zu erfüllen hat. Welser-Möst wurde die Doppelgleisigkeit (anders als Vorgängern von Karajan bis Maazel) nie zum Vorwurf gemacht. Mit seinem Rücktritt bringt er das Problem selbst zur Sprache.

Wer dirigiert den „Rigoletto“?
Der neue Vorstand der Philharmoniker, Andreas Großbauer, sieht, wenn er den Schritt des Dirigenten auch bedauert, Probleme für das im Stich gelassene Haus: „Die Entscheidung trifft die Wiener Staatsoper zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt – zu Saisonbeginn. Wir versichern dem Direktor der Wiener Staatsoper, Dominique Meyer, unsere volle Solidarität und Unterstützung in dieser schwierigen Situation, damit die im Spielplan vorgesehenen Aufführungen durchgeführt werden können.“

Der Generalmusikdirektor wäre in diesem Jahr erst im Spätherbst am Pult erschienen: Janáčeks „Schlaues Füchslein“, Verdis „Traviata“ und (als Premiere) „Rigoletto“ stehen auf dem Spielplan. Im Frühjahr hätte er noch Richard Strauss dirigiert, das Ballett „Josephslegende“ und eine neue „Elektra“ mit Nina Stemme in der Titelpartie.

All das sind Termine, die nun Gastdirigenten wahrnehmen werden. Die Staatsoper ist über lange Jahre ohne einen Generalmusikdirektor ausgekommen. Sie hatte mit Seiji Ozawa für einige Zeit einen nominellen Chefdirigenten, der allerdings mangels Opernerfahrung nie prägend für den Spielbetrieb wurde. Eine neue Galionsfigur zu suchen, ist daher auch keineswegs die dringliche Aufgabe, sollte sich nicht ein vielseitiger prominenter Maestro finden, der ein breites Repertoire betreuen kann. Welser-Möst wäre das gewesen. Sein Rücktritt bedeutet nicht zwingend, dass seine Position nachbesetzt werden muss.

Jetzt heißt es einmal: Dirigenten für 34 kurzfristige Einsätze zu suchen – auch die kooperativsten Philharmoniker brauchen nämlich an jedem der 300 Abende einer Spielzeit einen erstklassigen Mann am Dirigentenpult. Einen, auf den man sich verlassen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2014)

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