Haselsteiner: "Die Sanktionen sind alternativlos"

Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Kauf der Essl-Sammlung sei aus Sicht des Mäzens eine gute Entscheidung. Sanktionen gegen Russland müsse er als Unternehmer ablehnen, als Staatsbürger aber befürworten.

Die Presse: Sie sind für Überraschungen gut. Vor wenigen Tagen haben Sie die Sammlung Essl gekauft, heute kann man lesen, dass Sie an der Copa Cagrana Interesse haben. Stimmt das?

Hans Peter Haselsteiner: Wenn ich aus meinem Fenster sehe, wundere ich mich nur wie eine Weltstadt mit ihrer Wasserlinie umgeht. Seit Jahrzehnten. Mein Interesse ist, dass da endlich etwas passiert. Aber dazu muss zuerst einmal Rechtssicherheit geschaffen werden. Dann braucht es dringlich ein städtebauliches und - planerisches Gesamtkonzept. Will man einen urbanen Raum, Freizeitgebiet oder einen Badestrand? Erst wenn man das weiß, braucht man eine Investitionsentscheidung - und auch eine Investitionsbereitschaft entweder der öffentlichen Hand oder eines Privaten.

Und dann sind Sie am Zug?

Diese Phase würde ich dann sicher gerne begleiten in irgendeiner Form.

Am Ankauf der Sammlung Essl kann man sehen, wie schnell auch ein kompliziertes Projekt realisiert werden kann.

Herr Essl ist am 23. August mit einem Vorschlag und großer Offenheit zu mir gekommen. Wir haben identische Interessen, wir sammeln beide zeitgenössische österreichische Kunst und fördern junge, lebende Künstler. Nur hat er seine Sammlung an einem Ort, unsere Bilder hängen an mehreren 100 verschiedenen Standorten von Uljanovsk bis Chile. Aber das Wesentliche ist uns beiden die österreichische Malerei. Die Zerschlagung der Sammlung Essl wäre eine veritable Katastrophe sowohl für die österreichischen Künstler, aber auch für die Sammler gewesen.

Den Künstlern wirtschaftlichen Schaden zu ersparen war also ein Motiv für Sie.

Sie können es auch umgekehrt sehen. Wenn die Sammlung Essl zerschlagen worden wäre, hätte sich auch meine Sammlung mit einem Schlag im Wert halbiert. So gesehen, können Sie auch sagen, ich hatte auch ein materielles Motiv. Dennoch ist es mir nicht egal, wenn Dutzende Künstler, die wir kennen und schätzen, existenzielle Probleme bekommen. Ein Anselm Glück, der ist Mitte 60, kann nicht umsatteln, er kann nur seine Malerei verkaufen, wie viele andere. Aber ich halte das Geld für die Sammlung auch nicht für schlecht investiert. Das Risiko ist tragbar.

Was schöpfen Sie aus der Kunst?

Die Frage, warum sie mich berührt. Warum reagiere ich auf ein Bild? Wenn es mich nicht berührt, gehe ich an ihm vorbei, betrachte es nicht einmal als Kunst, was natürlich falsch ist. Ich bin ein Laie, Karlheinz Essl ist ein Profi, der beurteilt Kunst nicht danach, ob sie ihn berührt oder nicht.

Finden Sie denn heraus, wieso Sie ein Bild berührt?

Nein, ich stelle nur fest, dass es so ist und wundere mich. Oft berührt mich ein Bild ja auch negativ. Aber das hänge ich mir dann nicht bei mir auf. Bei mir im Büro hängt ein Anselm Glück, denn er berührt mich ausschließlich positiv.

Gestern wurden die nächsten Sanktionen gegen Russland verhängt. Zu Recht?

Ich glaube, dass es bis zu einem gewissen Grad alternativlos ist, um aufzuzeigen, dass eine Politik, wie sie Herr Putin macht, nicht tolerierbar ist. Aber die Fehler sind vor 20 Jahren gemacht worden. Wir haben die Schwäche Russlands benutzt und einige NATO-Beitritte initiiert. Bei Georgien und der Ukraine ist dann das Fass übergelaufen. Leider. Es ist eine Tragödie für das russische Volk, dass es das jetzt durchlaufen muss.

Aber es will diese Politik ja. Putin repräsentiert den Mainstream.

Ja. Die Österreicher haben auf dem Heldenplatz auch Heil geschrien, und nicht „Moment bitte!“ Wenn der Außenfeind stimmt, werden diese Fehler leider begangen. Ich bin immer dankbar gewesen, dass ich nicht 1916 oder 1923 geboren worden bin. Ich bin nicht sicher, ob ich mit 17 oder 20 der Versuchung widerstanden hätte, wie das heute alle von sich behaupten.

Sie scheinen der Einschätzung anzuhängen, dass die USA auf Europa in der Ukraine-Frage Druck machen und Europa da in etwas hineingeschlittert ist.

Es gibt für die USA zwei größtmögliche Katastrophen: Dass der Euro zu einer Weltwährung wird. Und eine Vereinigung Europas als politischer Kraft. Die USA haben ein Weltmachtinteresse, und sie handeln auch konsequent danach, indem sie uns abhören.

Sanktionen provozieren aber nur Gegensanktionen, oder?

Ein Individuum, das eben leider sehr machtvoll ist, hat eine große Palette an Reaktionsmöglichkeiten. Sehen Sie sich aber auch die Details zur Ukraine an! Das ist haarsträubend: mangelnde Legitimation der Regierung, Regierungsbeteiligung rechtsextremer Gruppen, die versuchte Abschaffung der Amtssprache Russisch. Ich verstehe Putin nicht, denn hätte er eine nach internationalen Standards geregelte Volksabstimmung erzwungen, hätte er die Krim ohnehin bekommen. Er muss ein Blackout gehabt haben.

Finden Sie es nicht übertrieben, wie sich Österreichs Wirtschaft über die Sanktionen beschwert?

Ein Unternehmer muss zwangsläufig dagegen sein. Als Bürger muss ich aber sagen, mein unternehmerisches Interesse muss bedauerlicherweise hoffentlich nur kurze Zeit dem anderen Interesse weichen.

War der Russland-Hype der Strabag seit 2007 nicht auch übertrieben?

Es war alles übertrieben. Auch unsere Erwartungshaltung. Aber die Vision bei unserem Börsengang war nicht gespielt. Wir waren der Meinung, es ist das Paradies. Es war ein Irrtum. Was aber nicht übertrieben ist, sind die Fakten. Es gibt für die europäische Bauindustrie nur einen Markt, der wirklich einer für die künftigen 100 Jahre ist: Russland.

Der Aufholbedarf bleibt ja bestehen. Sie aber bewerten Russland trotzdem neu und machen gerade einmal drei Prozent Ihres Umsatzes dort.

Ja, aber nicht, weil wir das so wollen, sondern weil wir nicht mehr kriegen. Unsere Anstrengungen bleiben in Russland fokussiert. Bis jetzt werden wir dort nicht behindert, und ich glaube auch nicht, dass das so kommen wird. Aber auszuschließen ist es auch nicht.

ZUR PERSON

Hans Peter Haselsteiner war bis 2013 Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Strabag. Der Tiroler ist ein Kunstfreund und - sammler. Die Artcollection des Konzerns zählt mit 2500 Werken zeitgenössischer Malerei und Grafik von etwa 270 österreichischen Künstlern zu den bedeutendsten österreichischen Kunstsammlungen. Anfang September wurde Haselsteiners-Privatstiftung zum Mehrheitseigentümer der Sammlung Essl. Mit dem Ankauf soll der Erhalt des österreichischen Teils der Sammlung gewährleistet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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