Die EU muss gänzlich umdenken, statt in der Not auf disqualifizierte Energieformen zu setzen.
Wenn der Druck steigt, sucht die Politik gern nach raschen Lösungen. Die sich abzeichnende Gaskrise, die steigende Abhängigkeit von Energielieferanten und der globale Klimawandel laden förmlich dazu ein, die Vorbehalte gegen Nuklearenergie über Bord zu werfen. Die EU-Kommission genehmigt für sie nun Förderungen, die für andere Branchen undenkbar wären – und öffnet damit das falsche Ventil.
Der Mythos, wonach Kernkraft lediglich in veralteten russischen Reaktoren zur Gefahr werden kann, ist nach Fukushima längst widerlegt. Atomkraft ist eine faszinierende Technik, aber sie hat sich als zukunftsweisende Energieform disqualifiziert. Jetzt das Risiko der Energieabhängigkeit durch das Risiko verstrahlter Lebensräume zu ersetzen ist unverantwortlich.
Europa braucht den aktuellen Druck, um in Energiefragen umzudenken. Zwischen 2006 und 2012 konnte die EU durch eine höhere Effizienz acht Prozent seines Energieverbrauchs reduzieren. Korrekterweise muss hinzugefügt werden, dass sich der Energiebedarf durch den Einbruch des Wachstums in diesem Zeitraum kaum erhöht hat.
Weitere Einsparungen durch eine neue, bessere Technologie wären also möglich. Die Forschung zu erneuerbaren Energieformen, zu Speichermöglichkeiten für Sonnenenergie und zu neuen Gerätetechnologien ist angelaufen. Sie braucht wirtschaftliche Anreize und vor allem Zukunftsaussichten, um Ergebnisse zu bringen. Doch dieser Antrieb wird ihr durch falsche politische Prioritäten wie die Rückkehr zur Kernenergie eben genommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2014)