Ebola wird zur Weltkrise

US-Präsident Barack Obama sieht im Ebola-Virus eine
US-Präsident Barack Obama sieht im Ebola-Virus eine "wachsende Gefahr für die globale Sicherheit".(c) REUTERS
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US-Forscher warnen: Bis Ende Jänner könnten 1,4 Millionen Menschen infiziert sein. In New York sagten Obama & Co. hunderte Millionen Dollar Hilfsgelder zu.

Zu lange hat die Welt weggeschaut und gehofft, dass sich Ebola schon irgendwie verflüchtigen wird in Westafrika. Doch die Epidemie ist außer Kontrolle geraten. 2917 Menschen sind bisher an der Krankheit gestorben, 6263 haben sich damit angesteckt. Das ist der aktuelle Stand der Buchhaltung des Todes, veröffentlicht von der Weltgesundheitsorganisation WHO. In einer düsteren Prognose warnen US-Forscher des Zentrums für Seuchenkontrolle und Prävention in Atlanta, dass Ende Jänner 1,4 Millionen Menschen infiziert sein könnten – im schlimmsten Fall, wenn nichts passiert.

Doch die internationale Gemeinschaft ist aufgewacht. Im Konferenzraum zwei des UN-Hauptquartiers fand am Donnerstag ein hochrangiger Krisengipfel statt. US-Präsident Obama saß am Tisch, die Chefs der relevante Organisationen wie WHO und Weltbank, ebenso die Staatsoberhäupter anderer helfender oder betroffener Staaten. Obama bezeichnete Ebola als „wachsende Gefahr für die regionale und globale Sicherheit“. Bisher komme international noch nicht ausreichend Hilfe. „Es gibt immer noch eine bedeutende Lücke zwischen dem, wo wir sind, und dem, wo wir sein sollten.“

Per Video zugeschaltet waren Ellen Johnston-Sirleaf und Ernest Koroma, die Präsidenten Liberias und Sierra Leones. Sie wollten ihre Heimat nicht verlassen, in ihre Ländern fordert die Epidemie den höchsten Tribut. Einer Studie des New England Journal zufolge verdoppelt sich die Anzahl der Infizierten alle drei Wochen, in Sierra Leone jedes Monat. Internationale Helfer sind verzweifelt, geben unter der Hand den Kampf fast schon verloren. Es fehlt an allem: an Medikamenten, an Ärzten, Krankenschwestern, Betten, selbst an Krematorien. Die Todesrate liegt derzeit bei 70 Prozent. Selbst beim Einsatz von aggressiven Medikamenten werde man sie vorerst nur auf 50 Prozent senken können, glauben Experten. Gute Nachrichten in diesem Meer an Elend kamen zuletzt aus Sierra Leone. Aber was heißt schon „gut“? Die dreitägige Ausgangssperre sei eingehalten worden. Freiwillige hätten 350 Verdachtsfälle identifiziert und in Krankenhäuser gebracht – und 265 Leichen geborgen. In Guinea hat sich die Lage nach Auskunft der WHO etwas stabilisiert.

„Waren schlecht vorbereitet“

Die Europäer übten in einem Papier, das vor der Sitzung in New York kursierte, Selbstkritik: Die EU sei schlecht vorbereitet gewesen auf die Seuche. Jetzt bestehe die Gefahr, dass sich die Gesundheitskrise zu einer sozialen und politischen Krise auswachse. Europa befürchtet offenbar den Zerfall von Staaten in Westafrika, ausgelöst durch Ebola. Die organisatorische Führung in der globalen Kampagne wollen die Europäer der WHO überlassen. Die UNO hat zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Mission ins Leben gerufen, um eine Gesundheitskrise einzudämmen. UNMEER (UN Mission for Ebola Emergency Response) heißt sie und hat in Liberia bereits ihre Zelte aufgeschlagen. In einem Fonds will die UNO weltweit Geld auftreiben für den Kampf gegen Ebola, 150 Millionen Euro hat die EU bisher bereitgestellt für den Kampf der Ärzte gegen Epidemie.

Der scheidende EU-Kommissionspräsident kündigte zusätzlich 40 Millionen Dollar an, ebenso wie Japan. Weltbank-Präsident Jim Yong Kim versprach eine Verdopplung auf 400 Millionen Dollar. Österreich verteilte 200.000 Euro für Schutzausrüstung und medizinische Schnellsiedekurse an eine NGO in Sierra Leone. Derzeit überlegt die Bundesregierung, was sie noch tun kann. China spendete 300 Millionen Dollar. An der Spitze der verspäteten Hilfsarmada stehen die USA. Sie haben 3000 Soldaten nach Westafrika geschickt, um Krankenstationen zu erreichten und medizinisches Personal auszubilden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2014)

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