Food-blogger: Laptop mit Löffel

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Kindheitserinnerungen und Kuchenrezepte, Restauranterlebnisse und was man noch alles persönlich garniert ins Internet stellen kann. Aus der faiblehaften Welt der food-blogger.

Eine Wurzelcremesuppe in 42 Bildern – vom leeren Schneidbrett nebst ganzen, ungeschälten Karotten und Pastinaken zum Suppenteller mit orangefarbenem Inhalt samt Obersklecks. Dazwischen liegen, eins unter dem anderen, zig Fotos, die sich zum Teil kaum voneinander unterscheiden; die Gemüsewürfel auf dem Brett werden eben immer mehr, der Topf füllt sich allmählich, der Inhalt wird immer, hm, gatschiger. Für dieses daumenkinoähnliche Kochszenario muss man lediglich mit der Maus am Bildschirm hinunterscrollen.

Kein Kochbuchverlag würde auf die Idee kommen, ein Rezept so ausführlich zu bebildern. Im Internet hingegen ist diese Praxis mittlerweile Usus. Sogenannte Food-Blogger stellen nicht nur Rezepte von Omas einzig wahrem Apfelkuchen online, sondern erfreuen sich offensichtlich so sehr am kostenlosen Fotografieren mit ihrer Digitalkamera, dass sie minutiös die Apfelschäl- und Teigrührschritte dokumentieren.

Auch das Braten einer Scheibe Kalbsleber wird für Onlineleser in Sekundenabständen fotografiert, die Entwicklung von der rohen Innerei zum perfekten Ergebnis kommentiert. ­Einerseits könnte man angesichts solchen Vertiefungswillens von einer erfreulichen Versinnlichung des Kochens sprechen (freilich mit dem Manko des unsinnlichen Bildschirms), andererseits könnte man aber die Ausführlichkeit mancher Anleitungen doch ein wenig übertrieben finden. Begleitet werden die Kochinstruktionen häufig von Schilderungen von Kindheitserinnerungen oder Urlaubserlebnissen, man will seinen Lesern einen bestimmten Duft näherbringen, und gar nicht selten fluchen Food-Blogger das Geruchsinternet herbei.

Ich blogge, also bin ich. Wer einen Weblog (englisch; „world wide web“ für Internet und „log“ für Tagebuch, kurz meist Blog genannt) anlegt, will etwas mit der Öffentlichkeit teilen. Diese „Minihomepages“, in den letzten Jahren ein schier unglaublicher Boom, dienen dem Publikmachen und dem Austausch von Meinungen, Erfahrungen, Gedanken – im konkreten Fall etwa von Rezepten, Restaurantbesuchen oder Lebensmittelfundstücken. Da berichtet eine Food-Bloggerin, dass sie eine „sagenhafte Maronicreme“ aus Frankreich mitgebracht habe, und stellt zum Beweis ein selbst geschossenes Bild davon online. Leider ein unscharfes. Jemand anderer präsentiert regelmäßig sein wöchentlich geliefertes Biogemüsekistchen samt Erdverkrustung und Überschrift „Das war diesmal in meiner Kiste“.

Wieder andere Blogger regen Diskussionen über die neuesten Kochbücher an, wobei jeder, der möchte, einen Kommentar dazu schreiben kann und somit Teil der „Blogosphäre“ wird. Onlinetools erlauben es, ein Quiz oder ­eine Umfrage durchzuführen, deren Sinn allerdings oft mehr als beschränkt ist: „Was kocht ihr heuer zu Weihnachten?

a) etwas Klassisches, b) etwas Neues, c) gar nichts.“ Teilnehmer: sieben. Mehr Zeitvertreib und Lust am Spiel als publizistische Ziele.
Dass Qualität und Brauchbarkeit von Food-Blogs wie von Blogs mit anderen thematischen Schwerpunkten
enorm unterschiedlich sind, macht das Navigieren im Internet für Interessierte nicht unbedingt leichter.

Wer auf der Suche nach einem Dessertrezept „Zitronen-soufflé“ in die Suchmaschine eingibt, tut erstens gut daran es auch mit falscher Rechtschreibung zu probieren, und muss zweitens mit einer Ergebnisflut an Blogs rechnen, die das gesuchte Rezept nur voneinander kopiert haben.
Gut, dass man in so einem Fall so rasch wieder von einer Homepage oder einem Blog wegklicken kann, wie man hingelinkt, also hingeleitet, worden ist. Das Lesen im Netz unterliegt anderen zeitlichen Bedingungen als das von Zeitschriften oder gar Büchern. Die Geduld der Spaziergänger im Internet ist oft gering. Wen blinkende Joghurtwerbung nervt, der klickt sich eben zu anderen Suchergebnissen zurück.

Dass die Lust an der Öffentlichkeit der eigenen Person oft ans Lächerliche grenzt, liegt auf der Hand. Bebilderte Onlinefreudenschreie wie „Mein Erdbeerpflänzchen blüht – und das mitten im Winter!“ oder die Information „Diesen Salat mag meine Mama gern“ dienen wohl weniger den Lesern von Food-Blogs als dem eigenen Selbstdarstellungstrieb.

So weitverzweigt die laienhaft-komischen Blog-
Auswüchse auch sind, ihnen gegenüber stehen sehr ­professionell gemachte Food-Blogs. Manche können auf Klickraten ähnlich denen von Tageszeitungen ver­weisen, manche Blogger können von der Werbung auf ihren Homepages leben. Und manche machen sogar ein Kochbuch aus ihren Onlinesammlungen.

Blog-Profis. Wie Nicole Stich aus München, deren Blog „Delicious Days“ vom „Time Magazine“ als eine der fünfzig coolsten Websites der Welt ausgezeichnet wurde – aufgrund der hohen Qualität von Layout und Fotos. Sie schreibt auf Englisch, um mehr Leser zu erreichen, wie die meisten professionellen Food-Blogger.

Darum empfiehlt sich auch für die Suche nach Rezepten oder Kochtipps, diese auf Englisch einzugeben. Für die Autoren sind Rezepte einer der wichtigsten Wegweiser auf ihre Homepage, ein Großteil der Leser gelangt auf der Suche nach Schoko-Chili-Torte, Fisch in Salzkruste oder anderen Gerichten auf Food-Blogs. Wer sich freilich in der Onlineszene einen Namen gemacht hat und regelmäßig mit Neuigkeiten aufwarten kann, wird auch unabhängig davon besucht.

Schließlich möchte man die neuesten Restaurantberichte im Detail lesen, wenn man schon selbst keinen Tisch bekommt, erhofft sich Insidertipps oder will von neuen Lebensmitteln erfahren. Denn die Hersteller wenden sich mit ihren Neuerungen nicht mehr nur an die Redaktionen von Zeitschriften, sondern auch schon an Food-Blooger – ­eine entsprechende Klickrate natürlich vorausgesetzt. 

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