VimpelCom: Große Deals, viel Streit

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Der zweitgrößte Telekomanbieter Russlands expandierte zuletzt stark.

Moskau. Wenn Boris Nemsic mit April den Vorstandsvorsitz beim russischen Mobilfunkanbieter VimpelCom übernimmt, wird dort wieder eine Doppelführung herrschen. Neben Nemsic wird nämlich Alexander Torbachov, bisher ein Versicherungsmanager, auf dem Sessel des Generaldirektors Platz nehmen. Die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ behauptet unter Berufung auf Branchenquellen, dass Nemsic die operativen Aufgaben wahrnehmen soll, während der Russe für Strategie und Kontakte zu staatlichen Schaltstellen verantwortlich sein werde.

Schon früher war der Konzern, der etwa 30 Prozent des russischen Telekommunikationsmarktes kontrolliert, von einem Tandem geführt worden. 2003 übernahm der noch immer amtierende Alexandr Inosimov das Ruder. Unter seiner Führung durchlief Russlands zweitgrößter Mobilfunkanbieter, der unter der Marke „Beeline“ auftritt, zentrale Weichenstellungen und heftige Turbulenzen. So expandierte VimpelCom nach Vietnam, Kambodscha und in sieben GUS-Länder: die zentralasiatischen „Stan“-Staaten, Georgien, Armenien und Ukraine. Insgesamt verfügt VimpelCom über Servicelizenzen für ein Gebiet mit 340 Mio. Einwohnern und bedient in diesen Ländern etwa 60 Mio. Kunden. In Russland selbst liegt der Konzern mit etwa 48 Mio. Abonnenten auf Platz zwei, hinter dem Anbieter MTS mit 65 Mio. und vor Megafon mit 43 Mio.

Erste Russen an der Wall Street

Vor wenigen Jahren trug VimpelCom mit dem russischen Kommunikationsministerium und der Steuerbehörde langwierige Konflikte aus. Dahinter stand, so wurde vermutet, der damalige Kommunikationsminister Leonid Rejman, der Geschäftsverbindungen zu einem VimpelCom-Konkurrenten unterhalten soll. Turbulenzen kamen nicht nur von außen. Innerhalb der Firma lieferten sich die größten Anteilseigner einen leidigen Interessenskonflikt: Der norwegische Telekomkonzern Telenor (30 Prozent) und die russische Alfa-Gruppe des Oligarchen Michail Fridman (44 Prozent) stritten um den Erwerb eines ukrainischen Mobilfunkers. Ein Moskauer Gericht verdonnerte Telenor zu einer milliardenschweren Schadenersatzzahlung.

Den größten Deal in der russischen Mobilfunkgeschichte landete VimpelCom Ende 2007. Damals kaufte das Unternehmen den Breitband- und Festnetzbetreiber Golden Telecom für 4,3 Mrd. Dollar. Durch die Akquisition entstand Russlands erster integrierter Serviceprovider. Als Pionier hatte sich VimpelCom schon 1996 erweisen, als es als erste russische Firma an die Wall Street ging.

In den ersten drei Quartalen 2008 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 7,5 Milliarden Dollar und ein Ebitda von 3,7 Milliarden. Laut Angaben für das dritte Quartal 2008 ist VimpelCom mit acht Mrd. Dollar verschuldet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2009)

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