Wie zusammenwächst, was einst zusammen war

Mit dem EU-Beitritt Kroatiens finden sich alle Regionen unter dem Dach der Europäischen Union.

Brüssel. Wer vor genau hundert Jahren von der Notwendigkeit einer vertieften Zusammenarbeit im Alpen-Adria-Raum gesprochen hätte, hätte nur verständnisloses Kopfschütteln geerntet. Denn am Vorabend des Ersten Weltkriegs waren die Regionen des heutigen Österreichs, Italiens, Sloweniens und Kroatiens unter dem Banner der Donaumonarchie so eng miteinander verknüpft, dass sich die meisten Zeitgenossen keinen anderen Zustand vorstellen konnten.
Was über Jahrhunderte organisch zusammengewachsen war, wurde in den Wirren des Ersten Weltkriegs gewaltsam auseinandergerissen. Den endgültigen Todesstoß versetzte der Region der Zweite Weltkrieg und die anschließende politische Blockbildung – Österreich war neutral, Italien ein Nato- und EWG-Mitglied, das nach offiziellem Wortlaut blockfreie Jugoslawien de facto hinter dem Eisernen Vorhang. Denkbar schlechte Voraussetzungen also für eine regionale Kooperation.

Alpen-Adria . . .

Trotz des frostigen geopolitischen Klimas blühte die Zusammenarbeit wieder auf – zuerst im kulturellen Bereich mit dem Gastauftritt der Laibacher Oper in Klagenfurt im Jahr 1950. Auf diesen Brückenschlag folgten weitere, 1967 fixierten Friaul-Julisch Venetien, Kärnten und Slowenien ein Programm über den Kulturaustausch. Die 1970er-Jahre brachten politische Entspannung, die 1978 in der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Alpen Adria kulminierte – Gründungsmitglieder waren neben den drei bereits erwähnten Regionen Bayern, die Steiermark, Oberösterreich, Salzburg, Veneto und Kroatien. Diese institutionell eingebettete Partnerschaft, die Ende 2013 in Alpen-Adria-Allianz (AAA) umbenannt wurde, wickelte seit ihrer Gründung gut 600 grenzüberschreitende Projekte in Bereichen wie Bildung, Kultur, Fremdenverkehr oder Infrastruktur ab. Die Raison d'être ist nach eigener Definition die „niederschwellige Unterstützung für Projektinteressierte“. Momentan hat Kärnten den AAA-Vorsitz inne.

. . . oder Euregio?

Doch zurück zur Geopolitik: Mit dem Beitritt Kroatiens zur EU sind alle Mitglieder der Alpen-Adria-Allianz auch in der Europäischen Union – die AAA ist aber nicht in der EU verankert, sondern eigenständig. Insofern war es naheliegend, dass auch ein Instrument, das im EU-Recht verankert ist, in der Region zum Einsatz kommt. Dieses trägt den Namen „Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit“ (EVTZ) und ist eine 2006 konzipierte Plattform, auf deren Basis Regionen innerhalb der EU gemeinsam Projekte abwickeln (und mit Unionsmitteln kofinanzieren) können. Diese Ergänzung zur Alpen-Adria-Allianz wurde 2012 aus der Taufe gehoben, ist in Triest beheimatet und trägt den Namen „Euregio Senza Confini“, Mitglieder sind derzeit Kärnten, Veneto und Friaul-Julisch Venetien, Istrien tritt demnächst bei.

Hier soll der inhaltliche Fokus auf Projekte im Bereich alternative Energien, Logistik, Tourismus, Forschung und Entwicklung sowie beim Hochwasserschutz gelegt werden.
Was auffällt, ist ein gewisses Ausmaß an inhaltlicher Überschneidung zwischen den beiden Plattformen – es stellt sich also die frage, ob sich die Zusammenschlüsse nicht gegenseitig das Wasser abgraben werden. Für ein Urteil ist es derzeit zu früh, denn noch gibt es zu wenig Erfahrung mit der Projektarbeit unter dem Euregio-Dach. Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ist jedenfalls optimistisch, dass beide Zusammenschlüsse ihre Daseinsberechtigung haben: Konkrete EU-finanzierte Projekte können im Rahmen von Euregio angestoßen werden, während AAA einen weiter gefassten Rahmen bildet, sagte Kaiser im Herbst 2014 in Brüssel. (la)

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