Medizin: Österreichs Spitäler "lebensgefährlich"?

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Jährlich würden 2500 Menschen in österreichischen Spitälern nach Behandlungsfehlern sterben, sagt der Medizin-Journalist Kurt Langbein. Die Spitalsärzte wehren sich gegen die Vorwürfe.

Das österreichische Gesundheitssystem ist zu teuer, schlecht organisiert und zuweilen lebensgefährlich, urteilt renommierte Medizinjournalist Kurt Langbein. Jährlich würden 2500 Menschen in österreichischen Spitälern nach Behandlungsfehlern sterben, schreibt Langbein in seinem neuen Buch "Verschlusssache Medizin: Wie sie uns krank macht, wer davon profitiert und wie Sie das System überleben" (mehr ...).

Kleine Spitäler: "Leute sterben unnötige Tode"

Interne Prüfberichte sollen demnach beweisen, dass es in kleinen Spitälern doppelt so viele Komplikationen gibt wie international üblich, berichtet das "Ö1 Morgenjournal". Auch werde verschwiegen, dass gewisse Eingriffe viel zu selten durchgeführt werden, so Langbein.

Kritik übt Langbein dabei auch an den Landeshauptleuten. Diese würden sich gern mit kleinen Spitälern schmücken, die aber komplizierte Eingriffe nicht leisten können. "Die Lage ist schon ganz schlimm. Dort sterben die Leute unnötige Tode. Es geht darum, dass die Bevölkerung verstehen lernt, dass Wohnortnähe nur im Bereich einer hochspezialisierten Versorgung sinnvoll ist, und dass Wohnortnähe bei allen hochspezialisierten Eingriffen lebensgefährlich ist", sagt Langbein.

Jede zweite Spitalseinweisung "unnötig"

Jeder zweite ins Krankenhaus eingewiesene Patient würde gar kein Spital benötigen, diagnostiziert Langbein. Da Krankenhäuser für belegte Betten mehr Geld erhalten, würden mehr Betten belegt als nötig: "Wir haben doppelt so viele Spitalsbetten und Spitalseinweisungen, wie tatsächlich nötig ist. Das ist belegt, jeder weiß es, nur es geschieht nichts." In Österreich gebe es 6,1 Betten pro 1000 Einwohner, auf 1000 Niederländer kommen nur 3,1 Betten.

Bis zu 2,5 Milliarden Euro könnten pro Jahr eingespart werden, so Langbein laut "Ö1 Morgenjournal". Dieses Geld solle in eine von Pharmafirmen unabhängige Forschung und eine sinnvolle ambulante Versorgung investiert werden.

"Kontraproduktive Allianz von Ärzten"

Langbein bezieht seine Informationen aus einem internen Prüfbericht, der aber unter Verschluss gehalten werde. "Es gibt hier eine seltsame und sehr kontraproduktive Allianz einer schmalen Schicht von Ärzten, die nach wie vor glauben, dass mit vernebeln, vertuschen und einfach schönreden das System, wie es jetzt ist, aufrechterhalten werden kann", sagt Lanbein im "Ö1 Morgenjournal".

Er fügt hinzu: "Leider sind diese Ärzte auch noch die Kammerfunktionäre - und den Regionalpolitikern, die immer noch auch die Spitäler als ihre Machtbasis sehen. Es geht hier um mehr als 100.000 Arbeitsplätze. Das Gesundheitswesen ist der größte Arbeitgeber Österreichs, und da kann man natürlich auch poltische Macht ausüben."

Ärztekammer: "Billige Panikmache"

Als "billige, sensationslüsterne Panikmache" hat Walter Dorner, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, das Langbein-Buch kritisiert. In dem Werk werde primär darauf gesetzt, "Menschen durch Aufzählung von Ärztefehlern in Angst und Schrecken zu versetzen". Bei seinen Behauptungen verlasse sich der Schriftsteller stark auf die Übertragung von Studien aus dem Ausland auf österreichische Verhältnisse, Schätzungen und veraltetes bzw. falsches Material. "Das hat viel zu tun mit profitorientierter Skandalisierung", so Dorner. "Mit Todesfällen soll man nicht hochrechnen - vor allem nicht mit alten Zahlen aus dem Ausland", kritisierte auch Patientenanwalt Konrad Brustbauer. Man müsste das hierzulande erheben.

"Für Gesundheitsminister Alois Stöger ist klar, dass Patienten nicht verunsichert werden dürfen", so Sprecher Thomas Geiblinger. Österreich verfüge über eines der weltweit besten Gesundheitssysteme. Dennoch sollte man ständig an der Qualitätssicherung und einem Mehr an Transparenz arbeiten, so Geiblinger.

Ärzte-Vertreter wehrt sich

Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen der Statistik Austria wurden 2006 in Österreich 2,6 Mio. stationäre Aufenthalte und 39.025 Todesfälle verzeichnet. "Das sind 50 Prozent aller Todesfälle in Österreich. Zu behaupten, dass davon fast zehn Prozent nach ärztlichen Behandlungsfehlern sterben, halte ich für eine kühne Behauptung", so Spitalsärzte-Vertreter Harald Mayer im "Ö1 Morgenjournal". 1977 starben in den heimischen Krankenhäusern 57.000 Patienten. Diesen Rückgang führt die Ärztekammer vor allem auf verbesserte Behandlungsmöglichkeiten zurück. Darüber hinaus würden immer mehr Menschen zu Hause sterben. Mayer gesteht aber ein, dass es zu Todesfällen durch Behandlungsfehler keine Statistiken gebe.

(Red.)

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