14-Jähriger unter Terrorverdacht: U-Haft beendet

(c) Clemens Fabry
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Der Schüler wurde aus der U-Haft entlassen. Terrorverdacht besteht weiterhin. Indes befinden sich die neun Jihadisten, die von Wien aus mutmaßlich nach Syrien reisen wollten, weiter hinter Gittern.

St. Pölten/Wien. Als erst 14 Jahre alter mutmaßlicher Terrorist hatte er die Debatte um das Erkennen und Verhindern der Radikalisierung von Jugendlichen neu entfacht. Am Dienstag wurde der Sonderschüler G., ein seit acht Jahren in Österreich lebender Türke, wieder auf freien Fuß gesetzt. Damit ist die U-Haft nach zwei Wochen beendet. G. soll sich an einer terroristischen Vereinigung, nämlich an der Terrororganisation IS, beteiligt haben. Die Ermittlungen gegen den Jugendlichen aus St. Pölten laufen weiter.

Bei einer Haftprüfungsverhandlung im Landesgericht St. Pölten wurde entschieden, dass die U-Haft durch Anwendung „gelinderer Mittel“ ersetzt werden soll. Ob die Staatsanwaltschaft diesen Gerichtsbeschluss hinnimmt oder dagegen Beschwerde einbringt (diese hätte keine aufschiebende Wirkung), wird derzeit geprüft.

Dem 14-Jährigen wurden Weisungen erteilt. Er bekam Bewährungshilfe, er muss weiter in die Schule gehen, und er muss psychosoziale Betreuung in Anspruch nehmen. Außerdem musste er seinen Reisepass abgeben und ist aufgefordert, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Zudem soll ein Sachverständiger die Reife des 14-Jährigen prüfen.

Der Verfassungsschutz hatte ihn schon einige Wochen vor seiner Festnahme (28. Oktober) im Visier. G. soll im Internet nach Bauplänen für eine Bombe gesucht haben. Den Sprengsatz hätte er offenbar innerhalb einer Menschenansammlung zünden wollen – diesen Verdacht hatte die Landespolizeidirektion Niederösterreich mitgeteilt. Als mögliches Terrorziel soll G. den Wiener Westbahnhof ins Auge gefasst haben. Auch eine Ausreise nach Syrien, wo der IS derzeit unter anderem kämpft, habe G. in weiterer Folge geplant. Dies habe der Beschuldigte, der mit seiner Mutter und seiner Schwester zusammenwohnt, bereits zugegeben, hatte es Ende Oktober seitens der Staatsanwaltschaft St. Pölten geheißen. Sollte Anklage eingebracht werden, drohen dem Jugendlichen im Strafprozess bis zu fünf Jahre Haft. Vorausgesetzt, der Sachverständige kommt zum Ergebnis, dass G. trotz des jugendlichen Alters reif genug war, das Unrecht seiner mutmaßlichen Taten zu erkennen.

Apropos Ausreise in Richtung Syrien: Jene neun mehrheitlich aus Tschetschenien stammenden Personen (acht Männer, eine Frau), die zuletzt als Flüchtlinge in Wien und Niederösterreich gelebt hatten und im August beim Versuch, das Land zu verlassen, festgenommen wurden, sind nach wie vor hinter Gittern. Acht der neun Personen sitzen nach wie vor in U-Haft. Ein Mann sitzt schon in Strafhaft, weil er eine noch offene ältere Strafe zu verbüßen hat.

Die neun sind wiederum Teil einer größeren Gruppe von Verdächtigen (mindestens 13 Personen), denen von der Staatsanwaltschaft Wien ebenfalls vorgeworfen wird, sie hätten sich am IS beteiligt. „Diese Leute sind keine ernsthaften Mitglieder einer terroristischen Vereinigung, es gibt kein Dokument im Akt, das diesen Verdacht stützt“, hält der Wiener Anwalt Wolfgang Blaschitz entgegen. Er hat nun für einen der Inhaftierten eine Grundrechtsbeschwerde beim OGH eingebracht. Und zwar wegen Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit.

„Terrorist aus dem Waldviertel“

Auch der als „Terrorist aus dem Waldviertel“ bekannt gewordene Verdächtige, Magomed Z. (29), ein tschetschenischer Asylwerber, der derzeit in der Justizanstalt Krems sitzt, hat schlechte Karten – hinsichtlich einer baldigen Freilassung. Auch er wandte sich bereits an den OGH. Der Mann war bereits im syrischen Kriegsgebiet, von ihm existiert etwa diese elektronische Sprachnachricht: „Diejenigen, die gute Taten gemacht haben, sind diejenigen, die gestorben sind. Man hofft, dass man einer von diesen wird.“ Auch Z. muss so wie der 14-Jährige und die neun zuvor genannten Verdächtigen mit einem Terrorismusprozess rechnen.

AUF EINEN BLICK

Am Dienstag wurde der 14-jährige Schüler G. aus der U-Haft entlassen. Der in St. Pölten lebende Türke soll sich an der Terrormiliz IS beteiligt haben. Jene neun Personen, die als Jihadisten im August inhaftiert wurden, sind nach wie vor hinter Gittern. Interessant ist: Mit dieser Gruppe war ein 17-Jähriger festgenommen worden, der wegen seiner Jugend gleich wieder freigelassen wurde. Im Gegensatz dazu saß der erst 14-Jährige doch zwei Wochen in U-Haft. Er wurde als gefährlicher eingestuft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2014)

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