Strafen oder nicht? Kindern richtig Grenzen setzen

Beleidigtes Kind
Beleidigtes Kind(c) Michaela Bruckberger
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Das Bestrafen von Kindern als Erziehungsmaßnahme hat nicht nur dann ein schlechtes Image, wenn es um körperliche oder psychische Gewalt geht. Dabei sind Sanktionen in der Erziehung sogar notwendig.

Im Grunde ist man sich einig – Gewalt gegen Kinder ist nicht in Ordnung. Das absolute Gewaltverbot in der Erziehung ist in Österreich auch seit 25 Jahren gesetzlich verankert. Und wer heute noch von der „gesunden Watsche“ spricht, die ihm selbst „ja auch nicht geschadet“ habe, erntet in der Regel verständnisloses Kopfschütteln. Allein, der gesellschaftliche Konsens hat nach wie vor Lücken– so halten rund zwei Drittel der Österreicher „einen leichten Klaps“ als Erziehungsmaßnahme für zulässig. In Ausnahmefällen, zumindest, wie eine kürzlich vom Familien- und Jugendministerium veröffentlichte Umfrage ergeben hat. Ausnahmefälle stehen in diesem Fall oft stellvertretend für Überforderung. Wenn Eltern nicht mehr weiterwissen, ihnen eine Situation zu entgleiten droht – und der autoritäre Akt das Kind zur Räson bringen soll.

„Gewalt ist immer der Ausdruck einer Ohnmachtsituation“, sagt Georg Sojka, ärztlicher Leiter des Wiener Instituts für Erziehungshilfe. Was mitunter der Ausdruck einer missglückten eigenen Erziehung sein kann, bei der es nicht gelungen ist, Konflikte auch anders als mit Gewalt zu lösen. Tatsächlich fehlen manchmal einfach die nötigen Werkzeuge, um mit einer Situation richtig umzugehen. Sojka rät dazu, es gar nicht erst zu solchen Situationen kommen zu lassen. Was natürlich sehr idealtypisch klingt, schließlich benehmen sich Kinder nicht immer rational.

Doch zumindest da, wo es geht, kann man durch die richtige Vorbereitung auf Situationen daran arbeiten, eine Eskalation zu vermeiden. Indem Eltern etwa durch das eigene Beispiel bestimmte soziale Werte, Emotionen und gesellschaftliche Normen vorleben. Und das den Kindern auch mit Hilfe der Sprache näherbringen.

Dabei, sagt Sojka, ist es auch notwendig, den Kindern Grenzen zu setzen – und auf die Einhaltung der Grenzsetzungen auch konsequent zu achten: „Grenzsetzungen bedeuten auch Stabilisierung.“ Wird eine Grenze überschritten, sind auch Sanktionen notwendig, meint der Experte. Wobei hier einige Regeln eingehalten werden müssen. Zum einen muss eine Strafe adäquat zur Situation sein, also nicht übertrieben hart. Zum anderen ist es sinnvoll, die Art der Sanktion vorher anzukündigen und auch zu kommunizieren, was man damit erreichen will. Wichtig dabei ist: Eine Strafe soll durchaus eine empfindliche Konsequenz haben, aber sie darf nicht demütigen. Und sie soll dem Kind die Möglichkeit geben, über sein Verhalten zu reflektieren. Im besten Fall kann man sogar über Strafen verhandeln – und damit die Reflexion fördern.

Öfter belohnen. Mit der Strafe verbunden sein muss laut Sojka in jedem Fall eine Entschuldigung für ein Fehlverhalten. Und umgekehrt sollte es auch Belohnungen geben. „Das ist auch eine Vermittlung von einem Wert – eine Bestätigung, dass etwas gut gemacht wurde. Und nein, eine Belohnung ist keine Manipulation eines Kindes.“

Klingt alles gut – doch in der Situation, in der ein Kind gerade irrational agiert, die Eltern aufgeregt sind, wie behält man da einen kühlen Kopf? „In diesem Fall“, sagt Sojka, „hilft es, ein Time-out zu schaffen.“ Das Kind ins Zimmer schicken oder selbst an einen anderen Ort gehen. Und wenn die Emotion sich wieder eingependelt hat, in Ruhe darüber reden, was passiert ist. Klingt doch eigentlich nicht so schwer, oder? Bleibt dann nur noch die anstrengende Aufgabe, die Theorie auch in der Praxis ankommen zu lassen.

Tipps

Druck herausnehmen.In einer Situation, die zu eskalieren droht, das Kind ins Zimmer schicken oder selbst an einen anderen Ort gehen. Wenn sich die Emotionen wieder eingespielt haben, mit dem Kind in Ruhe sprechen.

Gutes Beispiel geben.Gerade das Vorleben von Werten durch die Eltern prägt Kinder besonders stark.

Grenzen setzen.Den Kindern klar kommunizieren, welches Verhalten nicht in Ordnung ist. Und bei Verstößen auch Sanktionen setzen.

Kommunizieren.Im Fall einer Strafe dem Kind klar mitteilen, warum es eine Strafe gibt – und warum gerade diese.

Art der Strafe.Eine Sanktion soll angemessen sein – also für das Kind spürbar, aber nicht übertrieben. Und die Strafe darf nicht nur eine Machtdemonstration sein, sondern soll die Möglichkeit bieten, das eigene Verhalten zu hinterfragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2014)

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