Hardliner hintertrieben jahrzehntelang ein Tauwetter. US-Republikaner schicken Shootingstars vor.
In Rot, Schwarz und Gelb ist der Southernmost Point in der Whitehead Street auf Key West bemalt, am Ende der vor der Südküste Floridas vorgelagerten Inselkette der Keys. Der Boller, ein populäres Fotomotiv, und für viele ältere Exilkubaner ein Sehnsuchtsort, markiert den südlichsten Punkt der USA, gerade einmal 90 Meilen entfernt von Kuba und der ehemaligen Prachtmeile Malecon in Havanna. Hierher pilgern Touristen wie Exilkubaner, um ihren Blick über das haiverseuchte Meer der Karibik schweifen zu lassen, vormals ein Piratenrevier.
Solange die Castros an der Macht seien, werde er niemals seinen Fuß auf Kuba setzen, sagte Santiago Portal im Brustton der Überzeugung, drei Autostunden weit weg im Herzen Miamis. Der 81-jährige passionierte Hobbytänzer im schwarzen Hochglanzanzug mit Spazierstock, der vor mehr als 50 Jahren seiner Heimat den Rücken gekehrt hatte, brachte die Stimmung vieler auf den Punkt, die den Antikommunismus wie ein Siegel vor sich hertragen. Sonntags treffen sich die kubanischen Exilanten stets in Little Havanna in Miami, an der berühmten Calle Ocho, wo sich Cafés und Zigarrenläden aneinanderfädeln. Unter ihnen genießt das Restaurant Versailles mit seinen Süßspeisen einen legendären Ruf, der Parkplatz quillt über. Für jeden Politiker auf Wahlkampftour gehört ein Besuch im Versailles zum Pflichtprogramm.
Portal hielt ein Schild vor seiner Brust: „Marco Rubio for President“. Rubio, der 43-jährige republikanische Senator, ein smarter Shootingstar aus Florida, ist der ganze Stolz der betont konservativen kubanischen Exilgemeinde – zugleich eine Hoffnungsfigur seiner Partei für die Präsidentenwahlen 2016, eventuell als Vizepräsidentschaftskandidat an der Seite seines Mentors und väterlichen Freundes Jeb Bush. Mittlerweile macht dem Sohn kubanischer Flüchtlinge freilich ein zweiter Sohn kubanischer Emigranten den Rang bei den Republikanern streitig: Ted Cruz, der beinahe gleichaltrige Senator aus Texas, ein Darling der Tea Party.
Einfluss der Exilkubaner schwindet
Die Zeiten, da die Exilkubaner in Florida wie ein monolithischer Block für die Republikaner votierten, scheinen indessen vorbei. Bei den Jüngeren weicht der Hass auf die Castros einem Pragmatismus, in Scharen strömen sie über Drittländer mittlerweile in die Heimat ihrer Väter und Großväter. Zudem weichen die aus Mittelamerika eingewanderten Latinos den Einfluss der Exilkubaner als eminente politische Kraft in Florida auf.
Lange torpedierten die Hardliner eine Öffnung der USA gegenüber Kuba, drei Monate nach Amtsantritt drängten sie den jungen Präsidenten John F. Kennedy zu einer Harakiri-Aktion gegen das Castro-Regime: Die grandios gescheiterte Schweinebucht-Aktion, ein Putschversuch gegen den Diktator im olivgrünen Drillich, der in der Silvesternacht 1958/59 nach zähem Guerillakrieg den Diktator Batista von der Zuckerinsel gejagt hatte. Damals galt Kuba als das Bordell im Hinterhof der USA, ein tropisches Paradies für Glücksspieler und Desperados. In einem Antrittsbesuch suchte Fidel Castro die Aussöhnung mit dem kapitalistischen Erzfeind USA, die Kuba-Krise um die Stationierung von sowjetischen Atomraketen brachte die Welt 1962 an den Rand eines Atomkriegs – Tiefpunkt des Kalten Kriegs.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)