„Wir müssen reden“: Wie sich Obama und Castro annäherten

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USA-Kuba-Entspannung. Präsident Obama half bei seinem jahrelang vorbereiteten Vorstoß der Meinungswandel der Exilkubaner in Florida.

Washington. Die diplomatische Zeitenwende im Verhältnis der USA zu Kuba lässt sich bis zum 27. April 2007 nach Charleston, South Carolina, zurückverfolgen. In einer der Debatten um das Präsidentenamt wurde Senator Barack Obama von einem Zuseher gefragt, ob er direkte Gespräche ohne Vorbedingungen mit den Regimen von Syrien, Nordkorea, Iran, Venezuela und Kuba aufnehmen würde. „Ja, das würde ich“, sagte Obama. Ein Sturm empörter Proteste und außenpolitischer Belehrungen drohte daraufhin, die Kampagne Obamas aus der Spur zu fegen. „Ich fand das verantwortungslos und, ehrlich gesagt, naiv“, tadelte ihn Hillary Clinton. Sieben Jahre und eine Amtszeit als Obamas Außenministerin später hatte Clinton eine Kehrtwende vollzogen: „Der beste Weg, um Wandel nach Kuba zu bringen, ist, die Menschen mit den Werten, der Information und den materiellen Annehmlichkeiten vertraut zu machen“, schrieb Clinton im heuer veröffentlichten Teil ihrer Memoiren, die das Volk auf ihre erneute Kandidatur um die Präsidentschaft in zwei Jahren vorbereiten soll.

Gleich nach Amtsantritt am 20. Jänner 2009 beschleunigte Obama die Bemühungen um ein Auftauen der jahrzehntelang eingefrorenen Beziehung zu Havanna. Doch die Kubaner machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Im Dezember 2009 verhafteten sie Alan Gross, einen Mitarbeiter der staatlichen US-Entwicklungshilfebehörde Usaid, der für die jüdische Gemeinde von Havanna Computer installierte. Sie warfen Gross Spionage vor, 2010 wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der Verdacht drängt sich auf, dass besonders reaktionäre Elemente des Castro-Regimes auf diese Weise das Tauwetter zu beenden trachteten.

Solange Gross in Haft saß, war Obama keine Annäherung möglich. Hinter den Kulissen allerdings kamen die Dinge ins Rollen. 2010 ließ Kuba 52 Gewissensgefangene frei. Und hätte der frühere UNO-Botschafter der USA, Bill Richardson, nicht im Jahr 2011 auf eigene Faust Privatdiplomatie betrieben und mit der Ansage, Gross sei ein politischer Häftling, das Regime in Havanna erzürnt, hätte Obama schon früher einen Durchbruch vermelden können. „Ich habe das vermasselt“, gab sich Richardson reumütig.

US-Kubaner in Florida entspannen sich

Der Durchbruch kam heuer im Februar, wie Michael Crowley im „Politico“-Magazin schildert. Der Kongressabgeordnete Jim McGovern spazierte mit Präsident Raúl Castro durch den Präsidentenpalast. „Wir müssen über die Zukunft reden“, sagte Castro. „Denn wenn wir nur über die Vergangenheit reden, werden wir die Probleme nie lösen.“

Die seit Juni 2013 laufenden diskreten Gespräche in Kanada wurden verstärkt. Obamas Schlüsselspieler waren Ben Rhodes, sein junger Redenschreiber, sowie der Kuba-Fachmann Ricardo Zuñiga. Rhodes war kein Spezialist, aber die Kubaner wussten: Kaum jemand im Weißen Haus hat einen so direkten Zugang zu Obama. Am Dienstag schließlich stimmten sich Obama und Castro in einem rund 45-minütigen Telefonat darin ab, wie sie die Einigung der Welt verkünden werden.

Innenpolitisch ist diese Öffnung wesentlich weniger brenzlig, als sie das vor dem Machtwechsel von Fidel zu Raúl im Jahr 2008 gewesen wäre. Jene Exilkubaner, die vor den Kommunisten aus ihrer Heimat geflohen sind, sich mehrheitlich in Südflorida angesiedelt und seither die harte Haltung Washingtons gegenüber Havanna diktiert haben, sterben aus. Ihre Kinder sind pragmatischer: Sie wollen Geschäfte in Kuba machen, ihre Familienmitglieder besuchen.

Im Jahr 1991 waren in einer Umfrage der Florida International University in Miami noch 87 Prozent der US-Kubaner für das Embargo, das übrigens auch nach Obamas Ankündigung so lang bestehen bleibt, bis der Kongress es aufhebt. Heuer meinten hingegen 68 Prozent, dass man diplomatische Beziehungen aufnehmen sollte; 71 Prozent nannten das Embargo wirkungslos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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