Nach der Ermordung eines Kampfpiloten ließ König Abdullah zwei Extremisten hinrichten. Doch die arabische Koalition gegen den Islamischen Staat ist brüchig – und in der Bevölkerung umstritten.
Amman/Kairo. Jordaniens König Abdullah war sichtlich bewegt, als er den sogenannten Islamischen Staat (IS) in einer TV-Ansprache scharf verurteilte. „Mit Wut und Trauer haben wir die Nachricht vernommen, dass der Pilot und Held Maaz al-Kassasbeh von der Terrororganisation IS getötet wurde – von der feigen, fehlgeleiteten Verbrecherbande, die nichts mit unserer Religion zu tun hat.“ In solch schwierigen Zeiten sei es die Pflicht der Söhne und Töchter der Nation zusammenzuhalten, fügte er hinzu.
Keine zwölf Stunden später ließ er als erste Vergeltung zwei verurteilte Extremisten demonstrativ hinrichten, die verhinderte Selbstmordattentäterin Sajida al-Rishawi und das al-Qaida-Mitglied Ziad al-Karboli. Zugleich kündigte seine Regierung der IS-Terrormiliz eine Antwort an, „die die Erde erbeben lassen werde“. „Das Blut des Märtyrers ist nicht umsonst geflossen“, proklamierte ein Armeesprecher. „Unsere Rache wird das Ausmaß des Schmerzes haben, der allen Jordaniern zugefügt wurde.“ In Amman und Kerak, der Heimat des 26-jährigen Offiziers, kam es zu spontanen Protesten gegen die Fanatiker, aber auch gegen die eigene Regierung.
Und so können weder die martialische offizielle Rhetorik noch die Sprechchöre auf den Straßen verdecken – der Schock sitzt tief in Jordanien, und der Druck wächst, aus der Anti-IS-Koalition auszuscheiden. Neben den USA, Frankreich und Großbritannien beteiligten sich bisher auch Saudiarabien, die Emirate und Bahrain an den Luftangriffen gegen die Terrormiliz.
Erste Risse in fragiler Anti-IS-Allianz
Doch mittlerweile zeigt die fragile Koalition erste Risse. Die Saudis fliegen nur noch wenige symbolische Einsätze. Die Emirate, die sich anfangs mit einer Bomberpilotin brüsteten und sie zu einer Heldin stilisierten, stiegen nach Angaben der „New York Times“ ganz aus. Kurz nach der Gefangennahme des Jordaniers am 24. Dezember beorderte Abu Dhabi alle F-16-Jets auf die Fliegerhorste zurück – aus Angst um die Piloten. Dabei hatten die Emirate von Beginn an Druck gemacht, eine Allianz gegen den IS zu schmieden.
Auch in Jordanien billigen längst nicht alle der acht Millionen Einwohner den Kriegskurs ihres Monarchen. Der Twitter-Hashtag „#Dieser Krieg ist nicht unser Krieg“ ist extrem populär. Jordanien ächzt unter der Last von mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge. Mit dem Irak teilt sich das Königreich eine 180 Kilometer lange Grenze, an die der Islamische Staat nach seiner Mosul-Großoffensive im letzten Sommer bis auf wenige Kilometer herangerückt ist.
Abdullah hat daher vorsorglich auf irakischer Seite etwa 100 Spezialkräfte stationieren lassen, um zu verhindern, dass IS-Kämpfer Grenzübergänge angreifen und in ihre Gewalt bringen. Entlang der Grenze, die größtenteils durch Wüste führt, wurden die Patrouillen verstärkt. Auf jordanischer Seite stehen 40.000 Soldaten, verstärkt durch 1000 US-Elitesoldaten, die eigentlich hierherverlegt worden sind, um bewaffnete Übergriffe aus dem Bürgerkriegsland Syrien abzuwehren.
Bis zu 2500 Jordanier in Syrien
Auch bei einem Teil der jordanischen Bevölkerung genießt der Islamische Staat Sympathie und Zustimmung, deren genaue Dimensionen sich nur schwer abschätzen lassen. Die Anhänger kommen meist aus den Armenvierteln der Städte Amman, Irbid, Zarqa oder Maan, wo salafistische Prediger und Muslimbrüder das ideologische Monopol haben. 2000 bis 2500 Jordanier kämpfen in Syrien und im Irak in den Reihen der Extremisten – nach Tunesien und Saudiarabien das drittgrößte arabische Ausländerkontingent. Videos von jordanischen Jihadis, die ihre Pässe zerreißen und König Abdullah mit dem Tod drohen, zirkulieren seit Monaten im Internet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2015)