Laut RBI-Chef Sevelda wurde die Aktie aktiv „runtergeprügelt“. Er bleibt hinsichtlich der Ukraine optimistisch und dankt Erste-Chef Treichl für dessen „Pionierleistung“ in Ungarn.
Die Presse: Sie mussten 2014 in Osteuropa 1,7 Mrd. Euro an Krediten abschreiben und einen Verlust von fast einer halben Mrd. Euro hinnehmen. Viele erwarten, dass sich die Situation vor allem in Russland verschlimmert. Was wird heuer kommen?
Karl Sevelda: Osteuropa ist kein einheitlicher Wirtschaftsraum. Länder wie Tschechien oder die Slowakei unterscheiden sich etwa bei notleidenden Krediten nicht mehr von Österreich. Leider auch bei den Margen. In den Balkanländern gibt es zwar mehr „non-performing-loans“, dafür sind die Margen höher, weshalb wir dort auch gutes Geld verdienen. Und dann gibt es Sonderfälle wie die Ukraine, wo wir 2014 über 500 Mio. Euro Risikovorsorgen hatten. In Russland haben wir mit 150 Mio. Euro bisher immer noch relativ geringe Kosten.
Ihr Vorstandskollege Johann Strobl meinte zuletzt, dass er in Russland eine Rezession von fünf Prozent erwartet. Da müssen die Abschreibungen doch steigen.
Ja. Wir werden aufgrund des Ölpreisverfalls und der Sanktionen einen starken Anstieg sehen. Genau kann ich das nicht beziffern. Man darf aber nicht vergessen, dass wir trotz 150 Mio. Euro Risikokosten 340 Mio. Euro Gewinn verdient haben. Ich kann also die Risikokosten verdreifachen und erziele immer noch ein Plus. Zudem sind wir in den GUS-Staaten die Bank der Upperclass bei Privatkunden und betreuen bei Firmenkunden vor allem die großen und starken Konzerne. Das hilft natürlich.
Konkret gefragt: Werden die Abschreibungen 2015 deutlich unter 1,7 Mrd. Euro liegen?
Das wäre ein forward-looking statement, das ich nicht geben darf. Aber sagen wir so: Nachdem wir in der Ostukraine 90 Prozent der Kredite wertberichtigt haben, kann von dort nicht mehr allzu viel kommen. Wenn aber ein echter Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausbricht, gilt das eben Gesagte natürlich nicht mehr.
Das Polit-Risiko bleibt also. Inwiefern sind Sie mit den lokalen Regierungen in Kontakt? Haben Sie Termine bei Wladimir Putin?
Ich war beim Essen mit Putin eingeladen, als er in Österreich war. Ich habe mich auch mit Ukraines Präsident Petro Poroschenko getroffen. Aber meist bringen diese High-Level-Termine gar nicht so viel. Wichtiger sind die Kontakte zu lokalen Behörden und Ministerien.
Sie werden die Aktiva in Russland und der Ukraine deutlich zurückfahren. Ist man hier zu viel Risiko eingegangen?
Natürlich. Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, ob ich mir vorstellen kann, dass es einen Krieg zwischen der Ukraine und Russland gibt – ich hätte es nicht für möglich gehalten. Mit dem Wissen von heute würde man klarerweise versuchen, in diesen Märkten kleiner zu sein.
Reicht diese nun geplante Reduktion, sollte es zu einer echten Eskalation der Lage kommen?
Auf so etwas können Sie sich gar nicht wirklich vorbereiten. Ich bin aber immer noch ein Optimist und glaube, dass es nicht zum Äußersten kommt. Und Russland ist und bleibt ein interessanter Markt. Wir haben dort seit 1996 sage und schreibe 2,5 Mrd. Euro verdient. Und die Russen haben uns immer gedankt, wenn wir in schwierigen Jahren wie 1998 geblieben sind.
Aber nicht nur der Ukraine-Konflikt hat Sie negativ betroffen. In Ungarn waren es Regulierungen wie die Bankensteuer. Diese soll nun deutlich gesenkt werden. Gibt es ein echtes Umdenken bei Ungarns Premier Viktor Orbán?
Ich glaube schon, dass die Regierung sieht, dass schwache Banken und eine geringe Kreditversorgung für die Wirtschaft ein Problem sind. Es dürfte aber auch eine Rolle gespielt haben, dass nun mehr Banken in ungarischer Hand sind.
Sie sagten heute, Sie seien Erste-Bank-Chef Andreas Treichl „fast dankbar“ . . .
Ich habe ihm auch persönlich gratuliert. Er hat offensichtlich zusammen mit der EBRD an dieser Senkung gearbeitet und so für die Banken eine Pionierleistung erbracht.
Ist man an Sie auch herangetreten, ob sich der Staat an Ihrer Ungarn-Tochter beteiligen könnte?
Es hat verschiedene Überlegungen gegeben, auf die ich nicht näher eingehen möchte.
Wird die RBI in Ungarn nun wieder Gewinne schreiben?
Das hoffe ich in absehbarer Zeit schon.
Zuletzt hat die ganze Situation an den Börsen zu einer wahren Panik geführt. Ihre Aktien waren auf historischem Tiefstand.
Diese Panik war bis zu einem gewissen Grad künstlich erzeugt. 25 Prozent unseres Streubesitzes waren geshortet. Da haben einige ordentlich auf fallende Kurse spekuliert und unsere Aktie richtig runtergeprügelt. Und das Ganze wegen eines erstmaligen Verlusts von 493 Mio. Euro? Wir sind in 13 von 16 Märkten profitabel.
Trotzdem: Was sagen Sie einem Aktionär, der vor einem Jahr bei der Kapitalerhöhung zum Kurs von 28,50 Euro gekauft hat?
Tut mir leid. Aber es war damals nicht absehbar, dass wir in so schwierige Zeiten hineinschlittern. Wir werden aber durch unser Programm das Unternehmen wieder nachhaltig profitabel machen.
Sie meinten, dass der Aktienkurs noch „Spielraum“ nach oben hat. Wo sollte er liegen?
Ein Kursziel festzulegen, überlasse ich den Analysten. Wir liegen aber bei 0,4 des Buchwerts. Da gibt es Raum nach oben.
ZUR PERSON
Karl Sevelda ist seit 2013 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International (RBI). Der Absolvent der Wirtschaftsuniversität startete seine Bankenkarriere 1977 in der Creditanstalt. Von 1983 bis 1985 war er wirtschaftspolitischer Leiter des Büros des damaligen Handelsministers Norbert Steger. Seit 1998 ist er bei Raiffeisen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)