Die treffendsten Orakel für die Entscheidung

Birdman
BirdmanFilmfestival Venedig
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Sieht man sich jene Filmpreise an, die die Oscars am zuverlässigsten voraussagen, stellt sich heuer eigentlich nur eine Frage: "Boyhood" oder "Birdman"?

Im Jahr 2013 waren sich alle einig, 1996 hat es keiner kommen sehen. Die Rede ist von jenen Filmpreisen, die jährlich vor den Oscars vergeben werden und gewissermaßen als Orakel für den größten Filmpreis Hollywoods gelten. Wir haben uns sechs dieser Preise angesehen und mit den Oscar-Gewinnern für den besten Film verglichen: den Golden Globe, SAG Award, DGA Award, PGA Award, Bafta und Critics Choice Award.

In einigen Jahren dürfte die Prognose recht eindeutig gewesen sein: 2013 etwa gewann „Argo“ von Ben Affleck als Regisseur sämtliche dieser Preise – und schließlich auch den Oscar. Ebenso passierte es 2009 mit „Slumdog Millionär“, 2004 mit „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ und 2000 mit „American Beauty“.

„Million Dollar Baby“ sagte 2005 nur der DGA Award voraus (Favorit war damals „Brokeback Mountain“), „L.A. Crash“ gewann 2006 neben dem Oscar nur den SAG Award. Und dass 1996 „Braveheart“ gewann, war die größte Überraschung: Gemäß den anderen Awards der Branche standen die Zeichen auf „Sinn und Sinnlichkeit“ und „Apollo 13“. Hinweis: Wir haben uns alle Gewinner seit 1996 angesehen – in diesem Jahr wurden der Screen Actors Guild Award sowie der Critics Choice Award zum ersten Mal vergeben.

Heuer gelten gemäß dieser Auswertung zwei Filme als Favoriten: „Boyhood“ hat einen Golden Globe (Kategorie Drama), den Bafta und den Critics Choice Award hinter sich, „Birdman“ gewann die „Gewerkschaftspreise“ der SAG, DGA und PGA. Welcher wird nun mit größter Wahrscheinlichkeit den Oscar gewinnen? Wir haben nachgezählt.


Statistik. Wie sich herausstellt, ist das zuverlässigste Orakel für die Oscar-Nacht der Directors Guild of America (DGA) Award: Dieser Preis wird von der Gewerkschaft der US-Regisseure eigentlich für die beste Spielfilmregie vergeben, war aber in fast drei Viertel der Fälle (rund 74 Prozent) deckungsgleich mit dem Oscar-Sieger für den besten Film. Den Oscar für die beste Regie konnte er sogar in rund 79 Prozent der Fälle richtig vorhersagen. Heuer gewann Alejandro González Iñárritu für „Birdman“ den Regiepreis – was ihn auch im Oscarrennen zu einem aussichtsreichen Kandidaten macht.

Die zweithöchste Trefferquote erzielte in den vergangenen Jahren die Producers Guild of America (PGA), die mit dem „Producer of the Year Award“ den Produzenten eines Films ehrt. In 68 Prozent der Fälle war der Film, dessen Produzent prämiert wurde, auch bei den Oscars der beste Film. Und auch da hat „Birdman“ heuer gewonnen.

„Boyhood“ von Richard Linklater gewann hingegen den Critics' Choice Movie Award, der den besten Film aus Sicht der Filmkritiker auszeichnet und bisher in 63 Prozent der Fälle richtig lag. Dieselbe Trefferquote erreicht auch der Golden Globe Award – allerdings nur, wenn man die Kategorien Drama und Comedy kombiniert. „Boyhood“ gewann heuer in der Kategorie "Drama" den Preis, der von der Hollywood Foreign Press Association vergeben wird, "Grand Budapest Hotel" wurde beste Komödie. Der „Drama“-Gewinner ist traditionell aber der bedeutendere.


Industrie-Insider. Der Bafta, der von der British Academy of Film and Television Arts vergeben wird, lag zuletzt in 58 Prozent der Fälle richtig. Der Screen Actors Guild (SGA) Award, also der Filmpreis der Schauspielergewerkschaft, konnte weniger als die Hälfte der Oscar-Filme vorhersagen. Was sagt das nun über die heutige Verleihung aus? Statistisch müsste es „Birdman“ werden, denn die Preise der PGA und DGA sind unserer Auswertung nach die zuverlässigsten Gewinnindikatoren. Das dürfte vor allem einen Grund haben: In diesen Gewerkschaften sitzen wie auch in der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die den Oscar vergibt, Industrie-Insider – also zum Teil dieselben Leute.

Den SAG Award in den Vergleich aufzunehmen ist genau genommen nicht fair, schließlich ehrt dieser Preis nicht den besten Film an sich, sondern das beste Schauspielerensemble eines Films. Umso besser eignet er sich aber, um eine Prognose über die besten Hauptdarsteller bei den Oscars abzugeben. In 74 Prozent der Fälle gewann die Siegerin des SAG Award für die beste Hauptrolle auch den entsprechenden Oscar; bei den Männern deckten sich die Preise sogar in 79 Prozent der Fälle. Zuletzt gewann bei den Männern Eddie Redmayne für seine Interpretation des ALS-kranken Astrophysiker Stephen Hawking den SAG Award und außerdem den Bafta (53 Prozent Trefferquote). Michael Keaton ist dennoch nicht ganz aus dem Rennen, er gewann den Critics Choice Award (68 Prozent).

Beste Chancen auf einen Oscar hat Julianne Moore, die in „Still Alice“ an Alzheimer erkrankt. Einen SAG Award, Critics Choice Award, Bafta und Golden Globe hat sie schon mit nach Hause genommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2015)

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