TV-Kritik. Moderator Neil Patrick Harris wirkte bei der Academy-Awards-Verleihung, als hätte man ihm einen Maulkorb angelegt. Immerhin legte er, als Hommage für "Birdman", die Kleider ab.
"Edward Snowden konnte heute aus einem bestimmten Grund nicht hier sein", scherzte der Moderator Neil Patrick Harris bei der Verleihung der Oscars 2015. Zuvor hatte "Citizenfour" die Trophäe für den besten Dokumentarfilm bekommen. Der "bestimmte Grund", weswegen Snowden nicht nach Los Angeles reisen konnte, um sich die goldene Filmstatuette abzuholen, ist bekannt: Als Landesverräter droht dem Aufdecker der NSA-Praktiken in den USA die Todesstrafe. "Citizenfour" den Preis zuzusprechen, zeugte zumindest ein wenig von jenem Mut, der der Show abging. Denn über Anspielungen kamen die Witze nicht hinaus, den Gags fehlten eindeutig die Spitzen.
"Sie sind eng und riechen nach Eiern"
Harris wurde als Aufreißer in der Sitcom "How I Met Your Mother" bekannt, ist Musicalstar und hat sich als Moderator bei den Tony Awards hervorgetan. Bei dem Oscars blieb er unter den Erwartungen, wirkte zuweilen, als hätte man ihm einen Maulkorb angelegt. Immerhin: In der Hommage an "Birdman" legte der 41-Jährige die Kleider ab.
Dabei hätten die Academy Awards heuer durchaus Angriffsfläche für den einen oder anderen Seitenhieb auf die Academy gegeben. Unter den 20 nominierten Schauspielern war kein einziger schwarzer, "Selma"-Regisseurin Ava DuVernay und der Klassenkampf-Animationsfilm "The Lego Movie" wurden schmählich übergangen.
Oscar: Überraschungssieger und Favoritenrollen
"Wir ehren die Weißesten ..."
"Heute Abend ehren wir die Besten und Weißesten, äh, Weisesten Hollywoods", sagte Harris zu Beginn. Das war es dann auch schon mit der ironischen Selbstreflexion. Kommentarlos ging eine eine Oscar-Statuette aus Lego durch die Publikumsreihen. "Selma" wurde in den Musikkategorien groß gefeiert, afroamerikanische Hollywood-Stars durften Preise überreichen. Und der Moderator scherzte über das Kleid jener Preisträgerin, die gerade auf der Bühne über den Selbstmord ihres Sohnes gesprochen hatte. Abgesehen von diesem Fauxpas lieferte er eine solide, wenngleich müde Show ab. Während Ellen DeGeneres im vergangenen Jahr noch mit Pizza-Bestellung und Star-Selfie für Chaos – und damit Abwechslung sorgte – lief die Show heuer zu glatt ab.
Selbst Lady Gaga wirkte bei ihrem Auftritt in der kitschigen "A Sound of Music"-Huldigung gezähmt. Ja, die Frau mit den sonst so extravaganen Kostümen kann wirklich singen. Damit war Österreich in gewisser Weise also auch bei den Oscars vertreten.
"Alte Linke" als große Gewinner
Schärfer schossen nur zwei Hollywood-Stars, die als "alte Linke" gelten: Patricia Arquette forderte gleichen Lohn und gleiche Rechte für Frauen, sehr zum Jubel von Meryl Streep und Jennifer Lawrence. Und Sean Penn quittierte den Sieg der Satire "Birdman" des aus Mexiko stammenden Regisseurs Alejandro G. Iñárritu immerhin mit einem "Wer hat diesem Kerl eine Greencard gegeben?" Darüber konnte man zumindest ein wenig lächeln.
Statements wie die von Patricia Arquette, die gleichen Lohn für Frauen fordert, gehören längst zum guten Ton bei der Gala zur Verleihung der Academy Awards.
Dass „Birdman“ bei der heurigen Oscar-Verleihung mit den wichtigsten Preisen ausgezeichnet wurde, ist konservativ und mutlos. Richard Linklaters bewegender Entwicklungsroman „Boyhood“ hingegen rüttelt an Hollywoods Grundsätzen – und wurde weitgehend übergangen.