Uni Wien: Eine Hochschule prägt die Stadt

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Seit Jahrhunderten spielt die Universität Wien eine wichtige Rolle in der Stadt. Im Stadtbild manifestiert sich das aber nur bedingt.

Sie ist, wenn man so will, eine der wirklich alten Damen der Stadt. Älter als die anderen Hochschulen Wiens, viel, viel älter als so manche andere traditionsreiche Institution, ist die Universität Wien, 1365 als „hoe schuel“ gegründet, im Laufe der Jahrhunderte zu einer bedeutenden Einrichtung in der Stadt geworden.

Heute, 650 Jahre später, hat die Uni Wien, salopp gern auch „Hauptuni“ genannt, mehr Studenten als alle anderen Wiener Unis zusammen. 91.898 Studierende sind derzeit an der Uni Wien inskribiert. Dass Wien heute noch vor Berlin die größte Studentenstadt im deutschsprachigen Raum ist, liegt also vor allem an der Alma Mater Rudolphina, wie die Uni nach ihrem Gründer, Herzog Rudolf IV,. auch genannt wird. Die Mehrheit ihrer Studenten ist weiblich, ein bedeutender Teil kommt aus den Bundesländern oder aus dem Ausland zum Studium nach Wien. Die alte Hochschule trägt also nicht unwesentlich dazu bei, dass Wien jung (und kreativ) bleibt und sich gut gebildete Menschen zumindest für die Dauer ihres Studiums, im Idealfall auch länger, in der Stadt niederlassen. Die Studenten der Uni Wien machen rund fünf Prozent der Wiener Gesamtbevölkerung aus, wie der Stadtforscher Robert Musil in seiner Studie „Universität und Stadt“ schreibt.

Bedeutender Arbeitgeber. Musil hat auch die Wertschöpfung der Uni Wien für die Stadt ausgewertet: So geben allein die Studierenden (Stand 2012) 827 Millionen Euro im Jahr aus, die Mitarbeiter der Uni tragen eine Kaufkraft von jährlich rund 140 Millionen Euro bei. Überhaupt ist – auch das ist vielen nicht bewusst – die Uni Wien einer der größten Arbeitgeber der Stadt: 9700 Mitarbeiter zählt man derzeit, der Großteil (6900) sind wissenschaftliche Mitarbeiter. Im öffentlichen Sektor beschäftigen nur die Stadt Wien selbst und der Stadtschulrat mehr Menschen. Das größte privatwirtschaftliche Unternehmen der Stadt, Siemens, hat mit 6045 Mitarbeitern laut Musils Studie deutlich weniger Beschäftigte als die Uni Wien.

Auch als Auftraggeber, etwa für die Bauwirtschaft, ist die Uni ein bedeutender Faktor: Die Ausgaben für Baumaßnahmen und Infrastruktur machen pro Jahr 160 Millionen Euro aus. Aktuell ist ein Neubau für die Lebenswissenschaften und das Institut für Biologie in Neu Marx (neben dem Vienna Biocenter) geplant. Eben wurden die ehemaligen Uni-Turnsäle im Hauptgebäude revitalisiert.

Hinzu kommen zahlreiche, nicht statistisch messbare Auswirkungen auf die Stadt und das Stadtleben: Der Anteil der Radfahrer in Wien etwa wäre ohne Studenten wohl deutlich geringer. „Ohne Studenten könnten auch zahlreiche kulturelle Einrichtungen wahrscheinlich nicht existieren“, sagt Lilli Licka, Leiterin des Instituts für Landschaftsarchitektur an der Boku Wien. „Städten ohne Uni fehlt genau dieses Segment.“

Generell belebt eine Uni, sei es indirekt über Studentenheime (von denen es mit Ausnahme Hietzings in allen Wiener Bezirken mehrere gibt) oder direkt durch die Ansiedlung neuer Institute, das jeweilige Grätzel. Eines der jüngeren Beispiele: Seit die Fakultät für Informatik und das Institut für Publizistik 2012 in die Währinger Straße 29 gezogen sind, sei die Umgebung „belebt worden. Vorher war da wenig los“, sagt Licka.

Im Vergleich zu ihrer tatsächlichen Bedeutung für die Stadt prägt die Universität das Stadtbild rein architektonisch wenig. Als historisch nach und nach gewachsene Institution ist sie heute auf viele, teils unauffällige Gebäude in der ganzen Stadt verteilt (siehe Grafik), in denen viele Wiener wohl keine Uni-Institute vermuten würden. Ja, sie fügt sich (fast) ohne große Auffälligkeiten in das Stadtbild ein. Ein großer Kontrast etwa zur neuen Wirtschaftsuni (WU) im Prater mit ihren architektonisch bemerkenswerten und unübersehbaren Gebäuden.

„Die Frage ist, ob eine Uni über eine sehr gute Architektur hinaus auch ein Landmark sein und sich ihre Rolle für die Stadt in Form von repräsentativen Gebäuden manifestieren muss“, sagt Licka, die beides eher verneinen würde. Zumal die Uni Wien mit dem Hauptgebäude und dem Juridicum, das bei seiner Errichtung in den 1980ern ein „bemerkenswertes Gebäude mit architektonischer Kraft“ war, sehr wohl auch historisch bedeutsame Gebäude hat, die der Selbstdarstellung dienen.

Wenn auch das Hauptgebäude am Ring trotz seines repräsentativen Charakters nicht unbedingt einzigartig ist. Für Fremde sei es, sagt Licka, oft gar nicht so leicht nachvollziehbar, welches der Gebäude am Ring nun die Uni sei, weil die historistischen Gebäude einen ähnlichen Charakter hätten.

Licka sieht die zentrale Lage der Uni Wien als großen Vorteil. Ein künstlich geschaffener Campus wie jener der Wirtschaftsuni (WU) im Prater „funktioniert zwar für sich gut“, sei aber „fein säuberlich“ vom Rest der Stadt getrennt. Eine Durchmischung gebe es kaum, die Zahl der Nutzer sei weitgehend auf Personal und Studierende beschränkt.

Das ist bei natürlich gewachsenen Unis in zentraler Lage – dazu zählt auch die TU Wien, die heuer ebenfalls ein Jubiläum feiert (siehe unten) anders. Studenten und Mitarbeiter würden die „Stadt der kleinen Wege“ schätzen. „Es ist kein Wunder, dass die TU-Mitarbeiter sich gegen den Plan, die Uni nach Aspern zu übersiedeln, gewehrt haben. Die Nähe zur Stadt und zu anderen Einrichtung stellt eine hohe Qualität dar.“

Fehlendes Studentenviertel. Wie sehr Studenten und Personal der TU ihr Grätzel schätzen und dass sie sich hier gern aufhalten, zeigt ein Spaziergang rund um den Karlsplatz: An jeder Ecke sind Cafés, in denen junge Menschen stundenlang mit ihren Laptops sitzen, diskutieren und lernen. Die Lokale rund um die Uni haben sich auf studentische Bedürfnisse eingerichtet und bieten preiswerte Speisen und Getränke an. Bei schönem Wetter sind Karlsplatz und Resselpark voller junger Leute, die Zeichnungen von Gebäuden machen oder über deren Architektur diskutieren. Manchmal werden sogar Vorlesungen auf den Stiegen des Teichs oder vor der Karlskirche abgehalten. Die Studenten haben sich auf der Wieden viel Raum erobert, den sie intensiv nutzen und prägen.

Auch in diesen Belangen ist die Universität Wien anders als andere Unis: Wer vom Hauptgebäude am Ring die Alser Straße entlang vorbei am Neuen Institutsgebäude (NIG) hinauf zum Alten AKH schlendert, wird wenig einschlägige Lokale oder studentische Infrastruktur finden. Obwohl sich auf dieser Achse die meisten Institute der Uni Wien befinden und hier täglich tausende Studenten ein- und ausgehen, hat sich nie ein echtes Studentenviertel entwickelt.

Für Stadtforscher Erich Raith von der TU Wien ist das historisch begründet: „Wien ist generell keine Stadt, wo sich vitales Leben an öffentlichen Plätzen abspielt, das ist erst ein leiser Trend der vergangenen Jahre. Es ist ein Erbe der Zeit Metternichs, als öffentlicher Raum mit Bespitzelung gleichgesetzt wurde und sich alles in Höfe verlagerte.“ Das Hauptgebäude sei dazu ursprünglich dort geplant gewesen, wo heute die Votivkirche steht. Dass die Uni am Ring steht, war ein Wunsch des aufstrebenden Bürgertums, das sich dort ein Denkmal setzen wollte.

Ein zentrales Problem stellt für Raith auch die Justizanstalt Josefstadt dar. „Das große Gebäude ist umringt von Uni-Gebäuden und macht es unmöglich, dass ein Viertel entsteht. Die Häftlinge tragen nichts zur Urbanität bei, ich wünsche mir eine Umsiedlung.“ Spätestens wenn die U5 ab 2020 gebaut wird und hier eine Station bekommt, gäbe es Handlungsbedarf. Seine Vision: Aus der Haftanstalt soll etwas Ähnliches wie das Museumsquartier werden, mit viel öffentlich nutzbarer Fläche und Aufenthaltsmöglichkeiten, die der Universität Wien derzeit fehlen. Ebenso brauche der Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche einen Relaunch: „Das ist stadträumliches Krisengebiet, der Platz hat nicht annähernd die Bedeutung, die er in dieser Lage haben sollte.“

Und zuletzt: Die Universität Wien und ihre Studenten brauchten ein selbstbewussteres Auftreten. „Die Uni muss ihre Bedürfnisse und Wünsche besser äußern: Es gibt so viele Plätze wie den Sigmund-Freud-Park oder auch den Friedrich-Schmidt-Platz, die noch viel Gestaltungsspielraum haben.“

Im Jubiläumsjahr fängt die Uni an, sichtbarer zu werden: Es wurde bekannt gegeben, dass der Vorplatz des Hauptgebäudes neu gestaltet wird. „Der Platz ist eigentlich nicht wirklich gestaltet“, sagte Harald Peterka, Leiter des Raum- und Ressourcenmanagements der Uni Wien, im Jänner zur APA. Die Nebenfahrbahn vor dem Haupteingang soll entfernt werden, an ihrer Stelle sollen Sitzgelegenheiten und zwei Kuben entstehen, einer soll ein Café beherbergen. Es ist ein Anfang. Vielleicht ist Wien eines Tages dann nicht nur die größte Studentenstadt im deutschsprachigen Raum – sondern wird auch so aussehen.

650 Jahre Uni

Die Feierlichkeiten zum 650-Jahr-Jubiläum werden mit einem Festakt am Gründungstag, dem 12. März, eröffnet. (Großer Festsaal, 11 Uhr)

In der Nationalbibliothek widmet sich bis 3. Mai die Ausstellung „Wien 1365. Eine Universität entsteht“ der Gründung der Hochschule.

Beim Campusfestival (12. bis 14.6.) präsentieren sich die Fakultäten interaktiv im Alten AKH. Viele Fakultäten haben zudem Open-House-Tage. Für Kinder gibt es die Aktion „650 offene Türen“. Das komplette Programm gibt es unter: www.univie.ac.at/650

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2015)

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