Der EU-Bürokratie werden viele sinnlose Gesetze nachgesagt. Doch nicht alle gibt es wirklich.
Die EU-Kommission entwickelt ständig neues Recht. Aber das Bild von Bürokraten, die sich einen Spaß daraus machen, jeden Lebensbereich so eng zu regeln, dass Brettljausen und Dekolletés verboten werden, stimmt nicht. Einige Beispiele zeigen, dass es sich sehr oft um eine Überinterpretation handelt.
Das Ende der Brettljause
Ein immer wiederkehrendes Gerücht aus Brüssel hat 1999 in der Steiermark sogar die Politik auf den Plan gerufen. FPÖ-Politiker protestierten vehement gegen EU-Hygieneregeln, die angeblich Brettljausen verbieten würden. Die Wahrheit war: Es gab tatsächlich eine neue Hygieneverordnung, die davon abriet, Holz bei der Zubereitung von Lebensmitteln zu verwenden. Allerdings ging es nur um Empfehlungen und das auch nur für Großbetriebe. Die EU-Kommission stellte klar, dass jeder Buschenschank seine Speisen weiterhin auf dem Holzteller servieren dürfe.
Aus für Schwalben im Stall
Nicht weniger dramatisch schien das Verbot von Schwalben im Stall. Große Aufregung gab es, nachdem einzelne Landesbeamte dies tatsächlich exekutierten. Doch sie haben nur eine EU-Regelung, wonach keine Hühner in unmittelbarer Nähe der Melkanlage gehalten werden dürfen, überinterpretiert.
Kein Dekolleté mehr im Schanigarten
Ähnlich überinterpretiert wurde eine EU-Richtlinie zum Schutz von Arbeitnehmern vor optischer Strahlung. Sie war für Personen gedacht, die ständiger Sonnenbestrahlung oder Röntgenstrahlen ausgesetzt sind. Ziel war es, die Schädigung von Augen und Haut zu verhindern. Zu diesem Zweck wurden Grenzwerte festgelegt. Von besonderer Kleidung für Kellnerinnen oder gar hochgeschlossenen Blusen war darin nicht die Rede.
Lautstärkekontrollen im Konzertsaal
Selbst unser „Presse“-Musikkritiker war kurzfristig erbost. Er dachte, die Nachricht von Lärmkontrollen in Konzertsälen entspreche wirklich der Wahrheit. Doch die Philharmoniker dürfen weiterhin so laut spielen, wie es ihr Dirigent vorgibt. Selbst Stücke von Tschaikowski dürfen in voller Klangpracht wiedergegeben werden. Hintergrund der Aufregung war eine EU-Lärmschutzrichtlinie, die Grenzwerte für die Lautstärke am Arbeitsplatz enthielt. Sie soll Arbeitnehmer zum Beispiel in Fabriken vor Hörschäden durch latenten Lärm schützen. Da die Regelung Durchschnittswerte pro Woche festgelegt hat, sind höhere Lautstärken etwa während eines zwei Stunden dauernden Konzerts überhaupt kein Problem. Schon gar nicht waren, wie einige Boulevardmedien vermuteten, Lärmkontrollen bei künstlerischen Veranstaltungen vorgesehen.
High-Heels-Verbot für Friseurinnen
Die Geschichte von einem High-Heels-Verbot für Friseurinnen ging zwar durch viele Medien, sie entsprach aber nicht der Wahrheit. Vertreter der Gewerkschaft und des europäischen Arbeitgeberverbands für Friseure hatten sich lediglich auf Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz geeinigt. Dabei wurden rutschfeste Schuhe empfohlen. Ein EU-Gesetz wurde nie daraus.
Verbot von gekrümmten Gurken
Wer in der Vergangenheit von der überregulierten EU sprach, nannte gern die Gurkenkrümmung als Beispiel. Sie war allerdings keine Erfindung von EU-Bürokraten, sondern wurde von UNO und OECD eingeführt, um Handelsklassen für dieses Gemüse festzulegen. Die EU hat die internationale Norm 1988 übernommen. Österreich führte sie bereits lange vor dem EU-Beitritt in den 1960er-Jahren ein. Die EU brachte nicht den Anfang, aber das Ende dieser Normierung. 2009 wurde die Regelung zur Gurkenkrümmung in der EU abgeschafft.
Genormte Kondome
Die Idee für genormte Kondome gab es wirklich. 1996 wurden Minimalgrößen vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) im Rahmen von Festlegungen für „medizinische Vorrichtungen“ entwickelt. Kondome sollten mindestens 16 Zentimeter lang und 4,4 Zentimeter breit sein. Eine verpflichtende Regelung wurde in der EU aber nie daraus.
Aus für Ölkännchen
Ernsthaft wurde über die Frage verhandelt, ob in der EU Ölkännchen auf Restauranttischen verboten werden sollen. Die EU-Kommission wollte verschlossene und etikettierte Flaschen mit Olivenöl vorschreiben, um die Verabreichung von minderwertigem Olivenöl zu verhindern. Doch nach massiven Protesten wurde die Regelung verworfen. wb