Gewalt im Polizeieinsatz: „Das sieht oft nicht schön aus“

(c) Stanislav Jenis
  • Drucken

Zuletzt häufte sich die Kritik an missglückten Einsätzen der Exekutive. Manchmal, sagen Trainer der Polizei, sehe das allerdings schlimmer aus, als es tatsächlich sei.

Wien. „Ja“, sagt der Polizist mit dem Schild „Einsatztrainer“ auf der Brust. Man dürfe sich ruhig mit aller Kraft gegen die Fixierung am Boden wehren (siehe Foto). „Wenn Sie morgen dann mit Muskelkater aufwachen, wissen Sie wenigstens, warum.“ Tatsächlich dauerte es gerade einmal zwei Stunden, bis sich die Folgen der Auseinandersetzung schmerzhaft im Rücken bemerkbar machten.

Nachdem im Lauf der vergangenen Wochen immer wieder öffentlich Kritik an offensichtlich missglückten Einsätzen der Exekutive geäußert wurde, zeigte die Polizei am Donnerstag eine andere Seite. Journalisten, die wollten, konnten sich im geordneten Rahmen mit Einsatztrainern der Polizei anlegen, die zudem gestellte, aber mit Körperkraft und Waffen bestückte Szenarien aus dem Alltag durchspielten. Nicht zum Zweck der Darbietung eines spektakulären Showprogramms, sondern um zu veranschaulichen, dass Straftäter auf der Flucht, Tobende, psychisch Kranke und vor allem unter Alkohol- und Drogeneinfluss stehende Personen häufig nur mit massiver Körperkraft zu bändigen sind. Bis hin zum Waffengebrauch.

„Solche Einsätze sehen oft nicht schön aus“, sagt Ernst Albrecht, Kommandant der Wiener Wega und damit einer Einheit, die wegen ihres Auftrags besonders häufig mit brenzligen Situationen konfrontiert ist. Hinter Medienberichten oder im Internet veröffentlichten Videos stünden jedoch häufig auch Vorgeschichten, die die Kritiker fast nie kennen.

20 Stunden üben jährlich

Exemplarisch dafür nannte Albrecht einen Einsatz, zu dem die Polizei von einer Mutter mit Kleinkind gerufen wurde. Auf einer Parkbank befriedige sich ein Mann selbst, man möge doch einschreiten, um eine Traumatisierung der Tochter zu vermeiden. Die Polizei kam, forderte den Mann auf, die sexuellen Handlungen zu beenden, doch der weigerte sich. Schließlich wurde er von den Beamten zu Boden geworfen und abgeführt. Anschließend beschwerte sich die Frau, die angerufen hatte, darüber, dass ihre Tochter ob der polizeilichen Gewaltanwendung nun erst recht traumatisiert sei.
Wie Polizisten Gewalt richtig dosieren, lernen sie in der Grundausbildung und üben das Erlernte, verpflichtend für alle Waffenträger, 20 Stunden im Jahr – vom Anfänger bis hinauf zum Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit. Das Training beginnt bei verbalen Deeskalationstechniken, geht über die rechtlichen Rahmenbedingungen und den richtigen Eigenschutz bis hin zur situationsabhängig zu wählenden Gewaltintensität. Ob Körperkraft, Pfefferspray, Schlagstock oder Pistole: Die Zahl der Entscheidungen, die binnen kürzester Zeit getroffen werden müssen, ist groß. Der oberste Grundsatz in der Theorie lautet, dass der Gewalteinsatz der Gegenwehr angemessen sein muss. Wer sich bei der Fixierung am Boden liegend heftig wehrt – siehe oben –, wird auch härter angepackt. Das kann schmerzhaft sein und übertrieben aussehen, ist laut Polizei in einer solchen Situation jedoch angemessen.
Genauso vielfältig wie die Situationen, in die Polizisten tagtäglich im Dienst geraten, ist die Zahl der möglichen Fehler. Bundeseinsatztrainer Martin Hollunder-Hollunder sagt, dass das beste Training auch nur die Wahrscheinlichkeit für Fehler im Einsatz senken könne. Und oft genug passiert es dann trotzdem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Peter Pilz am Mittwoch im Nationalrat, im Hintergrund Innenministerin Mikl-Leitner
Wien

"Dringliche": Mikl-Leitner verteidigt Polizei

Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz listete in seiner "Dringlichen Anfrage" an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Fälle von Polizeigewalt auf.
Landesgerichts Steyr
Österreich

Misshandlungsvorwurf: Polizist muss vor Gericht

Der Beamte soll im vergangenen Jahr einen betrunkenen 19-Jährigen verprügelt haben. Der Fußgänger erlitt dabei Quetschwunden, Prellungen sowie eine Gehirnerschütterung.
Symbolbild: Polizisten der Sondereinheit "Cobra" bei einer Übung
Wien

Polizeigewalt: Misshandlungsfälle fast halbiert

Analyse. Zuletzt wurden mehrere Fälle von Polizeigewalt öffentlich. Statistisch gesehen gehen die Übergriffe jedoch stark zurück. Dennoch wächst das Misstrauen – aus selbstverschuldeten Gründen.
Wien

Umstrittenes Polizei-Video: Mikl-Leitner dankt Beamten

Die Beamten hätten eine "Frau geschützt und vor Schlimmerem bewahrt", sagt die Innenministerin. Ein Video der Festnahme sorgte für Diskussionen.
Screenshot aus dem Video
Österreich

Brutaler Einsatz vor Publikum

Ein Video von Beamten, die einen Tobenden auf der Mariahilfer Straße fixieren, sorgt für Entrüstung. Wie sind solche Bilder zu erklären? Unter anderem auch mit mangelnder Erfahrung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.