HIV-Blut in der Tinte: Ein Magazin gegen Stigmatisierung

(c) Vangardist
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HIV sorge nicht mehr für Schlagzeilen, sagt das Magazin „Vangardist“. Und hat mit dem Blut von HIV-positiven Menschen eine Ausgabe gedruckt.

Wenn den Leser ein seltsames Gefühl beschleicht, wenn er die aktuelle Ausgabe des „Vangardist“ in den Händen hält, wenn er vielleicht sogar etwas ungläubig über die Seiten streicht, dann weiß Chefredakteur Julian Wiehl, dass die Idee seines Magazins funktioniert hat. „Gut so“, wird er später sagen. Genauso solle es sein. Dem Wiener Männermagazin ist ein internationaler Coup gelungen. Fernsehteams, Reporter und Radiojournalisten aus Ländern wie Kolumbien, England und den USA melden sich derzeit im kleinen (und sehr schicken Büro) in der Wiener Mariahilfer Straße. Der Grund: Der „Vangardist“ hat ein Magazin mit dem Blut von HIV-positiven Menschen gedruckt. „HIV doesn't make the news anymore“ („HIV schafft es nicht mehr in die Schlagzeilen“) lautet provokant der Untertitel des Projekts.

Dabei ist die Zahl der HIV-positiven Menschen keineswegs am Abschwellen. 2,1 Millionen Menschen weltweit haben sich 2013 laut WHO und EU mit HIV infiziert. In Europa und Zentralasien gab es 2013 rund 80 Prozent mehr Neuinfektionen als 2004 – trotz zahlreicher Kampagnen zum Thema. Gleichzeitig werden HIV-positive Menschen noch immer stigmatisiert. „Bei HIV geht es um Angst. Unser Aufruf ist: Überwinde die Angst. Wenn du das Heft in den Händen hältst, dann setzt du dich mit deinen Ängsten auseinander“, erklärt Wiehl. Heutzutage gebe es Medikamente, die den Virus in Schach halten und auch Menschen, die mit HIV-Positiven eine Beziehung eingegangen sind. Schlussendlich gehe es nicht darum, Angst vor dem Virus zu haben, sondern ihn zu respektieren, und mit ihm verantwortungsvoll umzugehen, meint Wiehl.

Schwierige Umsetzung

Die Idee für das Projekt wurde schon vor Jahren in der Werbeagentur Saatchi & Saatchi geboren, lag dort lange in der Schublade und wurde über einen Freund und Unterstützer dem „Vangardist“-Team, das mit Saatchi kooperiert, zugetragen. Die Umsetzung war dann schwieriger als gedacht. Vielen Firmen, die das Projekt unterstützen sollten – übrigens auch NGOs, die sich Aids zum Thema gemacht haben –, sei das Thema schlichtweg „zu heiß“ gewesen. Besonders als der „Vangardist“ eine Druckerei suchte. „Sämtliche großen Anbieter weigerten sich“, ist im Magazin nachzulesen. Drei HIV-positive Menschen (eine heterosexuelle Frau, ein heterosexueller Mann und ein schwuler Mann, um die Bandbreite der Infektion abzudecken) spendeten Blut, das von der Med-Uni Innsbruck von den HI-Viren befreit wurde. Aus rechtlichen Gründen, sagt Wiehl. Danach wurde das Blut (90 ml) in 2,5 Kilo rote Farbe gemischt – und damit wurde gedruckt. Das Blut-Magazin ist im Onlineshop (es wurden 3000 Stück gedruckt) erhältlich, die Ausgabe ohne Blut gibt es am Kiosk.

Eine neue Realität schaffen, das war auch der Grund dafür, dass Wiehl und Mitherausgeber Carlos Gomez das Heft, das nur in Ausnahmefällen im Print erscheint, 2009 gegründet haben. „Uns hat das Bild vom ,Gay Man“ nicht gefallen“, sagt Wiehl. Man wollte das Bild von einem Mann, der einen entspannten Zugang zu seiner Sexualität hat, schaffen. Der „Vangardist“ soll ein Magazin für alle Männer sein, „da gehört der schwule Mann halt auch dazu“.

In einem nächsten Schritt in der HIV-Kampagne will der „Vangardist“ nun Opinion Leader (Kylie Minogue habe das Magazin schon erhalten) überzeugen, das Magazin in die Hand zu nehmen und mit einem Tweet, Post oder Foto ein Statement zu setzen. Damit die Idee für längere Zeit länderübergreifend zum Nachdenken anregt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2015)

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