Home-Office: Trautes Heim, Arbeit allein

Rechtsfragen. Wer das Sakko gegen den Morgenmantel tauscht, hat rechtlich einiges zu beachten. Wann muss ich erreichbar sein, wer zahlt den Strom, und darf mich mein Chef eigentlich in meinem Zuhause kontrollieren?

Ein Fall für den OGH: Martin P. kam gerade von der Toilette, als im Büro ein Stockwerk höher das Handy läutete. Hastig lief er die Holztreppe hinauf und rutschte dabei auf der untersten Stufe aus – schon war die Achillessehne gerissen. Die AUVA sah darin keinen Arbeitsunfall. Teleworker Martin P. hingegen schon.

Ein Drittel der österreichischen Unternehmen bietet laut „Recruiting Trends 2014“ ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben beiderseits die Vor- und Nachteile entdeckt. Denn während dem Teleworker der Arbeitsweg erspart bleibt, er mehr Zeit für die Kinder hat und der Arbeitgeber Büroräume einsparen kann, fällt es Heimarbeitern zuweilen schwer, sich weiterhin als Teil des Teams zu sehen oder mit dem Unternehmen zu identifizieren.

Gesetzliche Regelungen fehlen

In Österreich gibt es bis dato keine gesetzliche Regelung für die Arbeit von zu Hause. Lediglich einige Kollektivverträge sehen Bestimmungen vor. „Manche Unternehmen haben eine Betriebsvereinbarung zum Thema Home-Office abgeschlossen“, sagt Branco Jungwirth, Arbeitsrechtler bei Gerlach Rechtsanwälte. Er empfiehlt, die Rahmenbedingungen zur Telearbeit schriftlich festzuhalten. Verpflichtung dazu gibt es allerdings keine. „Mitarbeiter und Führungskraft treffen eine individuelle Vereinbarung, die als Zusatz zum Dienstvertrag schriftlich dokumentiert wird“, erklärt der stv. HR-Leiter Karl Lang das Vorgehen bei Siemens Österreich.

Festgelegt werden sollte, wann und wie oft von daheim gearbeitet wird und wer für Büromaterial, Strom und Internetanschluss aufkommt. Hier werde, sagt Jungwirth, meist eine Pauschale vereinbart.

Auch bei der Arbeiterkammer Niederösterreich können Mitarbeiter ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen. „Das Ausmaß des mobilen Arbeitens wird zwischen Führungskraft und Mitarbeiter festgelegt, ist aber von Haus aus auf eine für das Team verträgliche Maximalzeit von zwei Tagen pro Woche begrenzt“, sagt Direktor Helmut Guth.

„Wir wissen zwar, dass es in der Realität anders ist“, sagt Jungwirth, aber auch im Home-Office seien Arbeitszeiten einzuhalten. So dürfen höchstens zehn Stunden pro Tag und 50 Stunden pro Woche gearbeitet werden. Auch die Wochenendruhe ist einzuhalten.

Wie alle Mitarbeiter müssen auch Telearbeiter ihre Arbeitsstunden protokollieren. Da diese schlecht überprüft werden können, legen Mitarbeiter und Führungskraft meist Ziele fest, die erreicht werden müssen. Ist das etwa bei Siemens nicht der Fall, „liegt die Entscheidung über mögliche Auswirkungen bei der Führungskraft. Bei Mitarbeitern mit variablem Einkommen hat die Nichterreichung auch Auswirkungen auf die Höhe des Einkommens“, erklärt Lang. Home-Office-Vereinbarungen seien bei Siemens auch schon widerrufen worden, dazu hätten laut Betriebsvereinbarung beide Seiten das Recht.

Weniger flexibel als erhofft

Wer tagsüber die Kinder in die Schule bringt, Tennis spielt und Freunde zum Mittagessen trifft und die Arbeit erst abends erledigen will, muss auf einen flexiblen Arbeitgeber hoffen. Meist gibt es auch für das Home-Office klar geregelte Arbeitszeiten, in denen der Mitarbeiter erreichbar sein muss. „Abweichungen sind in Einzelfällen möglich und gesondert zu vereinbaren. Für bestimmte Funktionen gibt es bei uns auch Rufbereitschaft“, sagt Lang.

„Die Frage, ob der Chef den Arbeitsbereich eines Telearbeiters betreten darf, liegt in einem juristischen Graubereich“, erklärt Jungwirth. Das Hausrecht besagt, dass nur Zutritt hat, wer vom Bewohner erwünscht ist. Der Vorgesetzte allerdings könnte sich auf begründete Firmeninteressen berufen.

Ebenso umstritten sind Arbeitsunfälle im Home-Office-Bereich. Hier kommt es darauf an, ob sich der Unfall im Arbeits- oder Privatbereich ereignet hat. „Oft ist diese Abgrenzung gar nicht möglich“, sagt Jungwirth.

Teleworker Martin P. bekam vom OGH recht. Begründung: Er war gerade auf dem Rückweg zu seinem Arbeitsplatz, als der Unfall passierte.

AUF EINEN BLICK

Sechs Tipps für die Telearbeit:

► Definieren Sie die Rahmenbedingungen gemeinsam mit Ihrer Führungskraft. Halten Sie jede Vereinbarung schriftlich fest.

► Vereinbaren Sie Arbeitsziele, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssen.

► Vereinbaren Sie genau, wie oft und wann Sie im Home-Office arbeiten.

► Legen Sie fest, wer die Kosten für Internet, Strom, Büromöbel und -material übernimmt.

► Einigen Sie sich auf Uhrzeiten, zu denen Sie telefonisch erreichbar sind.

► Führen Sie Arbeitsaufzeichnungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2015)

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