Armee vereitelte einen Staatsstreich. Doch die Krise, die der Präsident mit seiner Wiederkandidatur auslöste, ist nicht vorbei.
Bujumbura/Wien. Der Militärputsch scheint gescheitert, aber die Furcht vor einer neuen Gewaltwelle beherrschte am Freitag die Menschen in Burundis Hauptstadt Bujumbura. Augenzeugen berichteten von einigen Leichen auf den Straßen. Bewohner von Vierteln, die als Hochburg der Opposition gelten, schilderten, die Polizei habe sie vor neuen Protesten gegen Präsident Pierre Nkurunziza gewarnt – sonst würde geschossen. Menschenrechtsaktivisten warnten vor Vergeltungsaktionen der Regierungskräfte gegen Sympathisanten des Putsches. Die US-Botschaft zog Teile ihres Personals ab. „Bujumbura ist heute eine Stadt der Angst“, sagte Thierry Vircoulon vom Thinktank International Crisisgroup der „Presse“.
Tatsächlich schienen Militäreinheiten aufseiten von Präsident Nkurunziza am Freitag den versuchten Staatsstreich niedergeschlagen zu haben. Mehrere Anführer der Putschisten wurden verhaftet, darunter auch der Kopf der Gruppe, General und Ex-Geheimdienstchef Godefroid Niyombare. Mindestens zwölf Soldaten aufseiten der Putschisten sollen getötet, mehr als 30 verletzt worden sein, wie die Armee mitteilte. 40 weitere hätten sich ergeben. Niyombare hatte den Präsidenten am Mittwoch für abgesetzt erklärt, als sich dieser in Tansania befand – bei einem Krisentreffen der Staatsführer zur Lage in Burundi.
Klarer Verfassungsbruch
Der versuchte Staatsstreich ist nur der jüngste Ausläufer der schweren politischen Krise, die das ostafrikanische Land seit Monaten beherrscht. Kernpunkt ist das Ansinnen Nkurunzizas, sich bei der Präsidentenwahl am 26.Juni um eine dritte Amtszeit zu bewerben – obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten vorsieht. Seit mehr als zwei Wochen gehen Oppositionsanhänger daher auf die Straße; seit Ende April wurden bei den Protesten mindestens 20 Menschen getötet. Auch am Freitag kündigten Oppositionsanhänger, die mit dem Putsch nichts zu tun haben, weitere Proteste an.
Nkurunziza selbst begründet seine Kandidatur mit dem Argument, seine erste Amtszeit könne nicht mitgezählt werden. Schließlich sei er 2005, nach dem Ende des Bürgerkriegs, noch nicht vom Volk, sondern vom Parlament gewählt worden. Das Verfassungsgericht hat die mögliche dritte Amtszeit zwar abgesegnet, aber offenbar nur infolge massiver Einschüchterungsmaßnahmen. In den vergangenen Monaten gingen regierungstreue Kräfte gegen vermeintliche Gegner vor – Oppositionsführer, Journalisten, Vertreter der Zivilgesellschaft, betonte die Burundi-Expertin von Human Rights Watch, Carina Tertsakian, im Gespräch mit der „Presse“. „Das ist in den vergangenen Wochen nur schlimmer geworden.“ Die unabhängigen Radiosender – für die Menschen auf dem Land oft die einzige Möglichkeit, sich zu informieren – wurden abgedreht, ihre Infrastruktur teils zerstört. Daher seien viele Bewohner außerhalb Bujumburas noch gar nicht über den versuchten Putsch informiert, sagte Tertsakian.
Über 100.000 Menschen sind vor der Gewalt in die Nachbarländer geflohen. EU und USA haben sich für eine Verschiebung der Präsidentenwahl ausgesprochen.
Putschführer Niyombare ist ein alter Weggefährte von Nkurunziza, er kämpfte schon im Bürgerkrieg an der Seite des heutigen Präsidenten. 2013 soll er nach einem Streit als Generalstabschef der Armee abgesetzt und später rehabilitiert worden sein. Als Chef des Geheimdienstes wurde er vor einigen Monaten entlassen, weil er sich schon damals gegen die geplante dritte Amtszeit ausgesprochen haben soll.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)