Champions League: Sentimentaler Besuch der alten Dame

Gianluigi Buffon
Gianluigi BuffonREUTERS
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Gianluigi Buffon, Andrea Pirlo und Andrea Barzagli kehren mit Juventus zum heutigen Finale gegen Barcelona in Berlin an jenen Ort zurück, der ihnen seit der WM 2006 heilig ist.

Es gibt Momente im Leben, die vergisst man nicht. Sie prägen sich in das Gedächtnis eines Menschen ein, sind allgegenwärtig, selbst wenn sie Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen. Fußballer erinnern sich an Tore, Triumphe und Tragödien, die durch Emotionen miteinander verschmelzen. Unmittelbar damit verbunden sind die Schauplätze des Geschehens. Das Olympiastadion von Berlin versprüht alten Charme. Für das Champions-League-Finale wurde der Tempel herausgeputzt, schließlich soll dem FC Barcelona und Juventus Turin eine würdige Bühne geboten werden. Trotz aller Bemühungen: Es gibt in Europa neuere, stimmungsvollere und schönere Stadien als die Heimstätte von Bundesligist Hertha BSC.

Drei Herren könnten diesbezüglich anderer Meinung sein. Gianluigi Buffon, Andrea Pirlo und Andrea Barzagli haben besondere Erinnerungen an Berlin, an diese Arena und den Abend des 9. Juli 2006. Es war ein nervenaufreibendes Spiel, das WM-Finale zwischen Italien und Frankreich. Das Olympiastadion war ein Hexenkessel, erst recht, nachdem Zinedine Zidane nach seinem Kopfstoß gegen Marco Materazzi die Rote Karte gesehen hatte. Nach 90 Minuten stand es 1:1, auch nach 120. Im Elfmeterschießen gab sich keiner der italienischen Schützen eine Blöße, auf der Gegenseite avancierte David Trezeguet mit seinem Lattentreffer zur tragischen Figur der Grande Nation.

In Deutschlands Hauptstadt wurde Italienisch gesprochen, die Spieler der „Squadra Azzurra“ machten in Berlin die Nacht zum Tag. Buffon, Pirlo und Barzagli haben jene magischen Momente, die sie zu Weltmeistern machten, nicht vergessen. „Die Erinnerungen an die Nacht in Berlin sind unauslöschlich“, blickte Pirlo 3283 Tage zurück. Die beiden Erstgenannten wurden dieser Tage besonders oft auf dieses eine Ereignis angesprochen, spielten sie vor neun Jahren doch tragende Rollen in der Mannschaft von Teamchef Marcello Lippi. Buffon, der Torhüter, war der Fels in der Brandung, der letzte Mann im ohnehin starken Defensivverbund. Er verhinderte Tore und tut dies heute noch. Auf dem Weg in das Champions-League-Finale musste er mit Juventus nur sieben Gegentreffer hinnehmen. Spielmacher Pirlo hingegen zaubert in der Offensive, im WM-Finale verwandelte er den ersten Elfmeter und wurde zum „Spieler des Spiels“ gewählt.

Ausgerechnet Berlin. Buffon und Pirlo, sie bestritten alle sieben Spiele auf dem Weg zum Titel, Barzagli leistete in zwei Spielen seinen Beitrag. Zum Zeitpunkt des WM-Triumphs spielten die drei Akteure bei unterschiedlichen Vereinen. Barzagli verteidigte in Palermo, Pirlo dribbelte für den AC Milan, Buffon vereitelte Großchancen im Dress von Juventus Turin. Der einstige Weggefährte von Alexander Manninger steht seit 2001 im Dienste der „Alten Dame“. 2011 kreuzten sich die Wege des Trios bei Juventus wieder, gemeinsam führten sie den Klub zu vier Meistertiteln in Folge, vor Kurzem auch zur Coppa Italia. Buffon genießt den Status einer Klublegende. Er kehrte seiner großen Liebe auch nicht den Rücken, als der Verein 2006/2007 wegen der Verwicklung in den italienischen Manipulationsskandal in die Serie B zwangsrelegiert wurde. Doch Juve kehrte zurück in die Erfolgsspur, ist heute ein ähnlich starkes Team wie vor zwölf Jahren, als die Truppe um Buffon im Champions-League-Finale an Milan mit dem jungen Pirlo scheiterte. Es war die bislang letzte Marke, die Juventus auf internationalem Terrain setzte.

„Da Berlino alla B....dalla B a Berlino!!!! questa è la vita!!“ – „Von Berlin in die zweite Liga, von der zweiten Liga nach Berlin. Das ist das Leben!“, schrieb Buffon nach dem Halbfinalerfolg gegen Titelverteidiger Real Madrid auf seinem Twitter-Account voller Vorfreude auf das Endspiel. Die Rückkehr in die Stadt, die ihm 2006 den größten Moment seiner Karriere bot, ist für den 37-Jährigen freilich außergewöhnlich. Der viermalige Welttorhüter sprach von einer „seltsamen Ironie des Schicksals“. Das Finale könnte doch genauso gut in Madrid, Manchester oder Mailand stattfinden, aber nein, es musste „ausgerechnet Berlin“ sein. Nicht nur für Buffon und Pirlo, auch für die italienische Presse war der Schauplatz des Endspiels eine Skurrilität. „Sie kehren zurück in ihre heilige Stadt“, titelte die „Gazzetta dello Sport“.

Die große Bühne. Buffon (37), Pirlo (36) und Barzagli (34) sind keine Jungspunde mehr, deren Karrieren noch unendlich viel bereithalten. Im Gegenteil, sie befinden sich auf der Zielgeraden derer, hatten mit der Champions League nochmals ein großes Ziel vor Augen. Garantie auf die Teilnahme an einem weiteren Endspiel auf internationaler Bühne gibt es freilich keine, der Zahn der Zeit nagt an ihnen. Pirlo und Barzagli besitzen in Turin einen Vertrag bis 2016, Buffon wird von Juventus sogar noch bis 2017 fürstlich entlohnt. Dem Schlussmann fehlt noch ein Champions-League-Sieg auf der Visitenkarte, Pirlo kann bereits stolz auf zwei Erfolge (2003, 2007) verweisen. Seine Zukunft aber scheint ungewiss. Vor dem Halbfinale gegen Real Madrid erklärte er, bei einem weiteren Triumph mit einem Wechsel ins Ausland zu spekulieren. „Ich habe mich noch nicht entschieden, wir werden sehen“, sagte Pirlo zu den Gerüchten, er könnte es Barças Xavi gleichtun und nach Katar wechseln.

Das Finale von Berlin, es ist für Pirlo womöglich der Abschied von der großen Fußballbühne. Dass er vor dem Spiel sonderlich nervös ist, kann nahezu ausgeschlossen werden. In seiner Autobiografie schrieb der Mann mit dem einzigartigen Gefühl für den Ball: „Ich spüre keinen Druck. Ich habe den Nachmittag am Sonntag, 9. Juli 2006, damit verbracht, zu schlafen und Playstation zu spielen. Abends habe ich die WM gewonnen.“

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