Was SPÖ und FPÖ noch trennt - und eint

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Parteiprogramme. Ob Asyl, Sicherheit oder nationale Identität: Wie unterschiedlich ticken Rot und Blau?

Wien. Auf Länderebene koalieren sie miteinander, im Bund gilt es noch als Tabu. Doch wie sehr unterscheiden sich SPÖ und FPÖ in ihren programmatischen Standpunkten? Um diese Frage zu beantworten, verglich „Die Presse“ die beiden Parteiprogramme. Das der FPÖ wurde im Juni 2011 beim Bundesparteitag in Graz beschlossen. Das Parteiprogramm der SPÖ stammt hingegen noch aus dem Oktober 1998. Momentan arbeitet die Partei gerade eine neue Programmatik aus.

In einigen Bereichen haben die Programme freilich im Lauf der Zeit Präzisierungen in der Praxis erfahren. So spricht sich die SPÖ, was 1998 nicht absehbar war, für ein Berufsheer aus. Die FPÖ lehnt dies nun klar ab. Der Pro-Europa-Kurs der SPÖ wurde durch den Brief von Werner Faymann an die „Krone“ 2008 situationselastisch modifiziert.

Asyl- und Fremdenwesen

„Wir treten für die Wahrung der Menschenrechte einschließlich des Rechts auf Asyl, im Falle der Verfolgung aus politischen, religiösen, rassischen oder sonstigen Gründen ein“, heißt es im SPÖ-Programm. Zudem rügt man xenophobe Parteien: „Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, die von nationalistischen und populistischen Kräften geschürt oder instrumentalisiert werden, bedrohen die Würde und Sicherheit der Menschen und sind daher eine Gefahr für das friedliche und demokratische Zusammenleben“. Überhaupt wird gewarnt: „Der Nationalismus in seiner hässlichsten Form hat in Teilen Europas wieder sein Haupt erhoben.“

Auch die FPÖ sagt: „Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, den aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen Verfolgten politisches Asyl in unserer Heimat zu gewähren, solange ein Schutzbedürfnis besteht.“ Doch ergänzt die Partei: „Wer über ein sicheres Drittland nach Österreich anreist, hat in diesem Asyl zu beantragen.“ Das würde die meisten Asylfälle betreffen. Zum Fremdenrecht meint die FPÖ: „Österreich ist kein Einwanderungsland. Wer als Fremder „wegen eines Verbrechens verurteilt wird“, ist auszuweisen. Wer sich aber wohlverhalte, dürfe Staatsbürger werden.

Europa

Im SPÖ-Programm wird die europäische Einigung wohlwollend betrachtet. „Für uns ist die Einigung Europas ein entscheidendes Friedensprojekt“. „Nur durch den schrittweisen Aufbau eines gemeinsamen Europa können die Voraussetzungen geschaffen werden, Konflikte zwischen Staaten, aber auch zwischen ethnischen Gruppen, friedlich zu regeln“, heißt es im SPÖ-Parteiprogramm. Unabhängig vom Programm hat SPÖ-Chef Werner Faymann in seinem legendären Brief an die „Kronen Zeitung“ im Jahr 2008 Volksabstimmungen über künftige EU-Verträge angekündigt.

Die FPÖ fordert ein „Europa der Vielfalt“. Man bekennt sich zwar zu einem „europäischen Vertragswerk mit einem Rechte- und Pflichtenkatalog für Union und Mitgliedstaaten“. Die Verfassung eines Staates müsse aber „absoluten Vorrang vor dem Gemeinschaftsrecht haben“. Man lehne „eine künstliche Gleichschaltung der vielfältigen europäischen Sprachen und Kulturen durch erzwungenen Multikulturalismus, Globalisierung und Massenzuwanderung entschieden ab.“ Betont wird in der FPÖ auch, dass die „menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete“ gestrichen werden müssen.

Familie

„Wir verstehen unter Familie jede Form des dauernden Zusammenlebens in partnerschaftlicher und demokratischer Form, die den einzelnen Mitgliedern dieser Gemeinschaft Solidarität, Anteilnahme und Schutz bietet“, sagt die SPÖ. Ausdrücklich betont wird auch, dass Eingriffe der Politik zur Frauenförderung gutgeheißen werden. „Die strukturell bedingte Benachteiligung von Frauen muss durch aktive Gleichstellungspolitik konsequent abgebaut und schließlich beseitigt werden“, wird erklärt.

Die FPÖ definiert den Familienbegriff anders. „Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft und garantiert gemeinsam mit der Solidarität der Generationen unsere Zukunftsfähigkeit“, wird betont. Die Freiheitlichen bekennen sich zur Chancengleichheit von Männern und Frauen und zu einem gerechten Einkommen unabhängig vom Geschlecht. Aber man spricht sich klar gegen Quoten oder „Gender-Mainstreaming“ aus. Statistische Ungleichheiten, die durch viele Faktoren bedingt sind, „können nicht durch Unrecht an einzelnen Menschen ausgeglichen werden.“

Soziales und Wirtschaft

„Wir streben eine Gesellschaft an, in der Klassengegensätze überwunden sind“, heißt es im SPÖ-Papier. Ausdrücklich wird auch ein „Recht auf Arbeit“ an verschiedenen Stellen des Parteiprogramms gefordert. „Die Kräfte des Marktes allein sorgen nicht für eine gerechte Verteilung“, wird erklärt. Man müsse in den Markt korrigierend eingreifen, „wo sich die Kräfte des Marktes gegen Mensch und Umwelt richten“. Kapital und Vermögenseinkommen dürften nicht gegenüber Vermögenseinkommen begünstigt sein. Menschen dürften nicht „zu rechnerischen Größen und Kostenfaktoren degradiert werden“.

Das FPÖ-Programm liest sich wirtschaftsliberaler und nicht so klassenkämpferisch, wenngleich der soziale Aspekt auch vielerorts betont wird. „Wir fördern Leistung in einer Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung, schützen das Privateigentum und stehen für eine gerechte Aufteilung von Beiträgen und Leistungen für die Allgemeinheit“, heißt es. Man bekenne sich zu einer an der Zeit orientierten Wirtschaftspolitik, „frei von ideologischen Vorbehalten“. Niedrige Steuern und Leistungsanreize seien Subventionen und Umverteilung vorzuziehen.

Heer und Sicherheit

„Österreich verfügt in Form der Neutralität, in Kombination mit internationaler kooperativer Solidarität, über ein bewährtes Sicherheitskonzept“, erklärt die SPÖ in ihrem Programm. Ein Beitritt zu einem Militärbündnis wird abgelehnt: Dieses sei „kein geeignetes Instrument, weil Friedenspolitik nach Ende des Kalten Krieges sinnvollerweise nicht mehr in nuklearer oder konventioneller Abschreckung durch ein kollektives Verteidigungsbündnis bestehen kann“. Bei der Volksbefragung 2013 warb die SPÖ für ein Berufsheer und trat für ein Ende der Wehrpflicht ein.

Auch die FPÖ ist gegen ein Miltärbündnis. „Österreich ist ein selbstbestimmter und friedensstiftender Staat und muss daher frei von einer Mitgliedschaft in einem Militärpakt sein“, heißt es im Programm. Entscheidungen über den Einsatz des Heers dürfe Österreich nur selber bestimmen, „als souveräner und neutraler Staat“. Im Zuge der Volksbefragung 2013 hat sich die FPÖ zudem für die Wehrpflicht ausgesprochen. Ausdrücklich betont wird im FPÖ-Parteiprogramm, dass Österreich „der Anwalt der deutschen und ladinischen Südtiroler ist“ und man die Einheit Tirols anstrebe.

Nationale Identität

„Die österreichische Identität wird nachhaltig auch durch die historisch gewachsene sprachlich-kulturelle und ethnische Vielfalt unseres Staates geprägt“, sagt die SPÖ. Es gehe um die Zusammenarbeit aller, „unabhängig von deren ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität“. Dies schließe insbesondere Ausländer ein, „für deren Integration im politischen Leben, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie im Bildungs- und Sozialsystem“ man sei. Auch Sozialdemokratie und Religion würden „keine Gegensätze darstellen“. Politik dürfe aber nie für religiöse Zwecke instrumentalisiert werden.

„Sprache, Geschichte und Kultur Österreichs sind deutsch“, sagt die FPÖ. Autochtone Volksgruppen wie u. a. Burgenlandkroaten oder Slowenen seien aber „als historisch ansässige Minderheiten eine Bereicherung und integrierter Bestandteil Österreich und unseres Staatsvolkes“. Österreich sei Teil des europäischen Kulturraums. Dessen Werte gelte es zu verteidigen und für die „Erhaltung und Weiterentwicklung unserer Leitkultur“ einzutreten. Es gehe um ein „Kultur-Christentum“ bei gleichzeitiger Trennung von Staat und Kirche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2015)

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