Die IS-Extremisten behaupten, die Stadt Sirte erobert zu haben – samt einem Kraftwerk.
Tripolis. Nach Syrien und Irak haben die Milizen des Islamischen Staats (IS) längst auch in Libyen, den zerfallenen Staat im Norden Afrikas, zu einer Offensive angesetzt. Im Februar hatten sie bereits ihre blutige Handschrift hinterlassen, als sie 21 ägyptische Gastarbeiter – koptische Christen – an einem libyschen Strand hinrichteten. Ägypten reagierte auf das Massaker mit Luftangriffen.
Nun behaupten die IS-Extremisten, Sirte eingenommen zu haben – die Geburtsstadt Muammar al-Gaddafis. „Die Stadt Sirte ist vollständig befreit“, rühmte sich die Miliz in den sozialen Medien nach der Eroberung eines strategisch wichtigen Kraftwerks im Westen der Stadt, das Teile Libyens mit Strom versorgt. Nach eigenen Angaben haben sie die Truppen der selbst ernannten Regierung in Tripolis in die Flucht geschlagen.
Einheitsregierung abgelehnt
Die IS-Einheiten hatten sich schon länger in Sirte festgesetzt und unter anderem den Flughafen unter ihre Kontrolle gebracht. Zudem griffen sie Hotels, Botschaften und Ölfelder an. Der IS macht sich das Machtvakuum in Libyen zunutze, in dem nach dem Sturz des Revolutionsführers Gaddafi im Herbst 2011 verschiedene Rebellengruppen einander bekämpfen und zwei Regierungen nebeneinander bestehen.
Die Friedensgespräche zwischen den rivalisierenden libyschen Parteien unter der Leitung des UN-Sonderbotschafters Leon sind derweil gescheitert. Die Regierung in Tobruk lehnt den UN-Plan einer Einheitsregierung ab. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2015)