Formel 1: Die ungestillte Sehnsucht nach der Lärmbelästigung

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Red Bull sucht starken Motor und droht mit Ausstieg, Mercedes votiert für frühere Regeländerung – der GP von Spielberg und seine Schauplätze.

Kein Stau, kein Gedränge. Entspannte Polizisten, die ankommende Autos munter durchwinken. Radfahrer, Spaziergänger, zwei unbeschäftigte Schwarzhändler, ein halb voller Campingplatz, viele leere Wiesen, nur eine sehr gut besuchte Tribüne – die Bilder, die sich dem Besucher des Formel-1-GP in Spielberg boten, waren mit den Eindrücken aus dem Vorjahr nicht zu vergleichen. Damals drängten die Massen zur Rückkehr der Formel 1 nach Österreich, über 100.000 Zuschauer wurden gezählt am Renntag. Die zweite Auflage am Red-Bull-Ring ließ viele Fragen offen, das Interesse am PS-Zirkus von Bernie Ecclestone ist jedenfalls erschreckend geschwunden. 55.000 Menschen sind gekommen, und da auch die Stagnation im Red-Bull-Team anhält – Kwjat wurde Zwölfter, Ricciardo Zehnter –, ist fraglich, ob Didi Mateschitz nicht doch den Verkauf des Teams vorantreibt und sich aus der Formel 1 zurückzieht.

Der Milliardär lehnt Niederlagen entschieden ab, dafür wurde zu viel Geld und seinerseits wohl auch zu viel Herzblut in das ganze Unternehmen investiert. Wie Ecclestone pochte der 71-Jährige auf den Entertainment-Faktor, Sinn des Sports, und verlangte nicht nur von Motorpartner Renault schleunigst Evolutionen. Ein Wechsel zu Ferrari sei keine Option, das Fahren mit Mercedes-Antrieben ist ausgeschlossen, auf Audi zu warten ein langwieriges Unterfangen.

Ecclestone bleibt gelassen

Red Bulls Verbleib in der Formel 1 machte er von Veränderungen abhängig, an der Austragung des GP von Österreich bis 2020 ließ Mateschitz keinen Zweifel. Er halte sich an Verträge, er habe Ecclestones Hand geschüttelt. Auch der Brite bleibt gelassen, er sagt: „Ich kenne Herrn Mateschitz gut. Die Chance, dass er sich zurückzieht, wäre größer, wenn er am Gewinnen ist.“ Nach vier WM-Titeln in Serie von 2010 bis 2013 habe man eben ein Tief, das sei normal. „Sie sind enttäuscht, oder? Sie sagen aber, dass es nicht ihre Schuld ist. Mateschitz weiß, was er sagt.“

Geduld ist dennoch gefragt auf allen Seiten, bis 2017 gilt es auszuharren in der jetzigen Konstellation, erst dann stehen Regeländerungen gemäß dem Weltverband FIA auf dem Programm. Geht es nach den in der F1 engagierten Österreichern, sollen diese Änderungen sogar schon früher greifen. „Man muss das 2017er-Projekt auf 2016 vorziehen“, sagt Niki Lauda. „Aber bitte, hören wir mit dieser Jammerei endlich auf. Wir reden die Formel 1 schlecht, wir umgeben uns da mit lauter Blödsinn.“

„Wir brauchen fette Reifen!“

Der Mercedes-Aufsichtsratschef erklärte das bei einem Gipfeltreffen in Spielberg. Sein Motorsportchef Toto Wolff, Helmut Marko sowie Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn lauschten den Worten, doch ob sich Laudas Ansatz umsetzen lässt, ist fraglich. Es bedürfte einer demokratischen Entscheidung in Ecclestones Diktatur, und das ist ein utopischer Ansatz. Schon diese Diskussionsrunde zeigt, wie groß und unterschiedlich die Zugänge zu der Krise in der Formel 1 sind.

Kaltenborn vertrat ihre Teaminteressen. Sauber ist klamm, also pochte sie – alle Entwicklungen negierend – stur auf eine Budgetobergrenze. Marko legte sich partout gegen den Turbo-Hybrid-Motor quer; Sound und Haltbarkeit sind tatsächlich Ärgernisse für dieses Geschäft. Schwerere Autos müssten her, mit größeren Reifen, prallen Auspuffen, mit der Geräuschkulisse von einst, also tüchtig benzinschluckenden, funktionierenden Turbomotoren. Überhaupt, wer Legendenrennen oder GP2-Serie gesehen und gehört habe, der frage sich ernsthaft, ob nicht die F1 das Rahmenprogramm war...

Die Einwürfe waren keineswegs neu, Lauda und Wolff lauschten andächtig. Zugänglich für Veränderungen seien beide, für Innovationen offen. Im Sinn des Sports, sprich Sponsor-, TV- und zuschauertauglich, gelte es, eine Trendwende zu herbeizuführen. Das Rezept ist simpel, Wolff sagte der „Presse“: „Die Formel 1 wird besser, wenn sie schneller, spektakulärer wird. Da muss auch Pirelli mitspielen, sie machen uns garantiert einen fetten Reifen!“ Unerwähnt darf folgendes Detail angesichts dessen nicht bleiben: Mercedes ist die zweite Saison in Serie der Konkurrenz haushoch überlegen.

Sound wie im Supermarkt

Woran krankt es, wenn das Gros aller Beteiligten über Probleme, Schwachstellen und Ansatzpunkte doch Bescheid weiß? Ecclestone zu überzeugen, etwas zu verändern, ist nicht schwer. Er ist Verkäufer, er ist mit dem Produkt selbst nicht zufrieden – aber er müsste, es klingt wie ein Widerspruch, weil man davon ausgeht, dass es ohnehin so ist – die Macht an sich reißen. Teams sollten keinerlei Mitsprache mehr haben bei der Aufstellung von Regeln, Motoren etc. Man sitze beisammen und rede zu viel, sagt Lauda, zu viel Sinn- und Belangloses. Marko: „Das ist, wie wenn jeder Fußballklub in der Uefa mitredet. Es sollten die Rechteinhaber bestimmen. Strafpunkte wie in Flensburg sind Unfug.“ In der Formel 1 dürfe kein Platz mehr sein für Reformbremser. Rennen liefen nur noch auf Strecken ab, sagt Wolff, die an Supermarktparkplätze erinnern. Und dort wird man bekanntlich ja auch nur mit äußerst schwachem Sound berieselt...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2015)

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