Der harte Sanierer im Wollpullover

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Seit Marchionne vor fünf Jahren an die Spitze des Fiat-Konzerns wechselte, hat er mit einem harten Sanierungskurs den Pleite-Kandidaten in ein profitables Unternehmen verwandelt.

Wien (red.). Rundliches Gesicht, zurückgekämmte Locken und bei offiziellen Auftritten gerne einen Pullover – vom Aussehen her passt Sergio Marchionne besser in eine gut sortierte Vinothek als in die oberste Führungsriege eines der größten europäischen Autobauer. Doch das Äußere täuscht.

Seit Marchionne vor knapp fünf Jahren an die Spitze des Fiat-Konzerns wechselte, hat er mit einem harten Sanierungskurs den Pleitekandidaten in ein profitables Unternehmen verwandelt. Seine scheinbare Lockerheit angelsächsischer Prägung hat Marchionne aus Kanada. Der Italiener besitzt auch die kanadische Staatsbürgerschaft, absolvierte in dem Land sein Studium und sammelte erste Berufserfahrungen, bevor er in die Schweiz ging und dort zuletzt den Zertifizierungsanbieter SGS leitete.

Für die Öffentlichkeit tauchte er anschließend wie aus dem Nichts im Fiat-Vorstand auf. Es sollte nicht allzu lange dauern, bis der Manager die Sympathien sowohl der Politik als auch der Medien und Gewerkschaften auf seiner Seite hatte. Fiat veränderte seine Konzernstruktur und seine Modellpalette, kehrte in die Gewinnzone zurück, und Italien konnte plötzlich wieder stolz auf den traditionsreichen Autokonzern sein.

Marchionne weiß, dass das Spiel damit keineswegs gewonnen ist. Vergangenen Dezember sorgte er mit seinem Manifest zur Zukunft der Autoindustrie für Aufsehen: Die nächste Konsolidierungswelle würden maximal sechs Autobauer weltweit überleben, prophezeite Marchionne, die Schwelle liege bei 5,5 Mio. erzeugten Fahrzeugen jährlich. Nach diesem Plan wäre Fiat mit seinem Ausstoß von 2,15 Mio. Fahrzeugen zum Tode verurteilt. Also kämpft Marchionne weiter – allerdings nicht mehr nur ums Überleben, sondern um einen neuen Weltkonzern: aus Fiat, Chrysler und Opel.

Während sich US-Präsident Obama demonstrativ hinter den Plan stellt, hält sich die Begeisterung der sonst italophilen Deutschen in Grenzen. Die finanziellen Möglichkeiten der Italiener seien begrenzt, zukunftsweisende technische Konzepte fehlten, monieren Kritiker. Woher wolle dieser hoch verschuldete Konzern die Mittel für zwei Operationen zugleich nehmen, fragte der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen im Bayerischen Rundfunk. Da platzte Marchionne der Kragen: „Ich erwarte vom Industriekommissar einen konstruktiven Dialog und keine Todesurteile.“ Eine Antwort auf die Frage blieb er schuldig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2009)

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