Konzernchef Marchionne legt die Karten auf den Tisch: Fiat, Opel und Chrysler sollen zu einem neuen Weltkonzern fusionieren, schon Ende Mai könnte der neue Weltkonzern stehen. Die Deutschen zieren sich.
Wien (gau). Manche Klischees scheinen ja doch zu stimmen: Wenn Italiener eine Idee verkaufen wollen, dann tun sie das mit viel Leidenschaft – und wecken gerade dadurch die Skepsis der nüchternen Deutschen. Er hätte eine „unglaublich simple Lösung für ein vertracktes Problem“ gefunden, schwärmte Fiat-Chef Sergio Marchionne: Fiat und Opel, das wäre „eine im Himmel geschlossene Hochzeit.“ Solches verriet er der „Financial Times“ (FT) kurz vor seinem gestrigen Besuch in Deutschland, wo der potenzielle Retter von Opel recht kühl empfangen wurde.
In dem Interview deckte Marchionne erstmals seinen Masterplan auf: Fiat soll seine Autosparte ausgliedern und mit Opel, den übrigen Marken von GM Europe und der eben erst erworbenen Beteiligung an Chrysler zu einer neuen Aktiengesellschaft fusionieren. Ihr Name? „Fiat/Opel hört sich für mich gut an.“
Schon Ende Mai könnte der neue Weltkonzern stehen, Ende des Sommers will der tatendurstige Konzernchef damit an die Börse gehen. Im neuen Verbund sollen jährlich sechs bis sieben Mio. Autos produziert werden. Nach Marchionnes Theorie ist langfristig nur eine Handvoll großer Automobilkonzerne überlebensfähig – und mit der Fusion könnten Fiat und Opel endlich in dieser Liga spielen. Im Ranking der größten Produzenten würde Fiat/Opel den wichtigsten Konkurrenten Volkswagen knapp vom zweiten Platz hinter Toyota verdrängen. In Europa wäre man die Nummer eins.
Diese kühnen Pläne unterbreitete der Italo-Kanadier dann auch dem deutschen Wirtschaftsminister zu Guttenberg, dem SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier – und, statt dem Opel-Management dem Betriebsratschef Klaus Franz. Damit wagte sich der Gast in die Höhle des Löwen, gelten doch die Gewerkschaften als scharfe Gegner eines Einstiegs von Fiat. Sie fürchten um einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen und bevorzugen den zweiten Opel-Interessenten Magna. Manche polemisieren sogar, Fiat wolle mit einem Opel-Einstieg nur einen lästigen Konkurrenten unschädlich machen.
Doch Marchionne scheint mit Gewerkschaften gut zu können: Er schätzt das deutsche Modell der Mitbestimmung, hat auch bei Chrysler Betriebsräte ins Boot geholt und schimpft über Analysten, die „immer nur Entlassungen fordern.“ Dennoch macht Fiat kein Hehl daraus, dass Kosteneffekte die Mitgift bei der Hochzeit wären. Von den vier deutschen Opel-Werken sollen laut Konzept drei erhalten bleiben, die Zukunft von Kaiserslautern bliebe ungewiss. 9000 Stellen, errechnete die FT, könnten europaweit wegfallen.
Chrysler passt besser
Aber nicht nur Arbeitnehmervertreter fürchten, dass Opel von der italienischen Umarmung erdrückt wird. Auch unter den Experten gibt es viele, die Zweifel an einem Erfolg einer Fusion haben. Opel und Fiat haben eine ähnliche Modellpalette und operieren in den gleichen Märkten – die Synergien sind also mäßig, die massiven Überkapazitäten lassen sich durch ein Zusammengehen schwer abbauen. Auch ist Fiat zwar saniert, steht aber finanziell immer noch auf schwachen Beinen.
Anders sieht es bei Chrysler aus, das eben erst das Insolvenzverfahren (nach Chapter 11) beantragt hat: Dort kann Fiat sein Know-how bei spritsparenden Kleinwagen einbringen, Chrysler-Händler freuen sich über eine breitere Angebotspalette und Präsident Obama bringt seine Energiepolitik voran. Kein Wunder, dass Marchionne in den USA mit offenen Armen empfangen wurde.
In Deutschland aber erinnern sich viele voll Sorge daran, dass der Spruch von der „himmlischen Hochzeit“ nicht neu ist: Er begleitete die Fusion von Daimler mit Chrysler von 1998, die zehn Jahre später scheiterte – gleichsam als Scheidung in der Hölle.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2009)