Obamas Parolen und Afrikas Realität

KENYA OBAMA ART
KENYA OBAMA ART APA/EPA/DANIEL IRUNGU
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Der US-Präsident ist auf seiner Reise von der Energie über den Anti-Terror-Kampf bis zu den Menschenrechten mit der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit konfrontiert.

Washington. Ende Juni vor zwei Jahren war Barack Obama zum bisher letzten Mal in Afrika, und er hatte eine Frohbotschaft im Gepäck: Mit US-Hilfe werde sich die Versorgung mit elektrischem Strom in Schwarzafrika binnen fünf Jahren verdoppeln. Zu diesem Zweck habe er ein Projekt namens Power Africa ins Leben gerufen, das mit der Hilfe internationaler Energiekonzerne und einem Budget von sieben Milliarden Dollar (6,4 Milliarden Euro) neue Kraftwerke errichten und bestehende elektrische Infrastruktur modernisieren werde. Der Präsident nannte dieses Projekt in seiner Rede in Kapstadt „ein Licht, wo derzeit Finsternis ist, und die Energie, die erforderlich ist, um Menschen aus der Armut zu heben“.

Zwei Jahre später hat Power Africa zwar laut eigenen Angaben Zusagen von Investoren und afrikanischen Regierungen über Bauvorhaben, deren Umsetzung ein Viertel des Ziels erfüllen würde. Doch bisher hat Power Africa noch zu keiner einzigen neuen Kilowattstunde Elektrizität geführt.

Willkür fördert Terrorismus

Zum heutigen Beginn seiner vierten, voraussichtlich letzten Afrikareise als Präsident steht Obama vor einer Reihe an ähnlichen Klüften zwischen den Ankündigungen, Grundsätzen und Erwartungen seiner Regierung und der Realität auf dem Kontinent. Obama wird Kenia, die Heimat seines leiblichen Vaters, sowie Äthiopien besuchen, als erster amtierender Präsident der Vereinigten Staaten. Auch seine Rede vor der Afrikanischen Union in der äthiopischen Hauptstadt, Addis Abeba, wird eine Premiere sein. Alle Themen, die das Weiße Haus vorbringen will, sind höchst kontroversiell.

Das beginnt bei der Zusammenarbeit im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, der am Horn von Afrika staatsgefährdende Ausmaße angenommen hat. „Der Kampf gegen den Terrorismus wird ein Schwerpunkt unserer Gespräche sein“, sagte Susan Rice, Obamas nationale Sicherheitsberaterin im Weißen Haus, am Mittwoch. Doch wie den Islamisten beizukommen ist, darüber herrscht zwischen Washington und Nairobi beziehungsweise Addis Abeba keine Einigung. „Die Polizei und andere Sicherheitsdienste verüben großteils straflose Menschenrechtsverletzungen“, kritisiert John Campbell vom Council on Foreign Relations, der von 2004 bis 2007 US-Botschafter in Nigeria war. „Ihre Methoden gegenüber Minderheiten wie Somaliern mit keniatischer Staatsbürgerschaft und Somaliern in Flüchtlingslagern sind oft missbräuchlich und erzeugen Unterstützung für jihadistische Terrororganisation wie Al-Shabaab.“

Kenias Regierung missachtet die Menschenrechte. Präsident Uhuru Kenyatta wurde noch bis Ende 2014 von den Anklägern des Internationalen Strafgerichtshofs wegen der Beteiligung an den ethnisch motivierten Ausschreitungen in den Jahren 2007 und 2008 bezichtigt, bei denen rund 1200 Menschen getötet wurden. Die gleichlautende Anklage gegen seinen Stellvertreter William Ruto ist weiterhin aufrecht, Ruto wird in Nairobi auf Obama treffen.

Wahlsieg mit 100 Prozent

Auch Äthiopiens Führung schert sich wenig um die Rechte der Opposition und Dissidenten. „Die jüngsten Wahlen waren eine Augenauswischerei“, schreibt Ex-Botschafter Campbell. Die seit 1991 regierende Partei von Ministerpräsident Hailemariam Desalegn hat vor vier Wochen alle 546 Parlamentssitze gewonnen. „Neue Gesetze beschneiden die Rede- und Versammlungsfreiheit, angeblich als Antiterror-Maßnahmen“, hält Campbell fest. „Darüber hinaus haben die äthiopischen Sicherheitskräfte eine Geschichte an Kriegsverbrechen.“

Das Weiße Haus sieht, zumindest in öffentlichen Stellungnahmen, keine sehr großen Probleme mit der Demokratie in Obamas Gastland. Sicherheitsberaterin Rice sagte zwar, der äthiopische Wahlsieg mit 100 Prozent erwecke „Bedenken über den Wahlvorgang“, antwortete aber auf die Frage, ob das eine demokratische Wahl gewesen sei: „Absolut – 100 Prozent.“

Breiter Hass auf Homosexuelle

Auch die Haltung gegenüber der Homosexualität spaltet Obamas Regierung und seine afrikanischen Gastgeber. Während das Weiße Haus nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes, wonach die gleichgeschlechtliche Eheschließung ein Bürgerrecht ist, in den Regenbogenfarben erleuchtete, halten laut Umfrage des Pew-Research-Centers 88 Prozent aller Kenianer die gleichgeschlechtliche Liebe für moralisch inakzeptabel. Präsident Kenyatta erklärte am Dienstag, die Rechte Homosexueller seien „ein Nichtthema“ und „definitiv nicht auf unserer Agenda“ bei seinem Treffen mit Obama.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2015)

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