Scharinger: „Wir brauchen wieder mehr Selbstbewusstsein“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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OÖ-Raiffeisen-Chef Ludwig Scharinger glaubt, dass Wirtschaft und Unis besser als ihr jeweiliger Ruf sind. Er empfielt den Studierenden Auslandssemester zu nutzen und flächenübergreifend zu lernen.

Die Presse: Was würden Sie tun, wären Sie Wissenschaftsminister?

Ludwig Scharinger: Auf die Unabhängigkeit der Universitäten achten, damit sie sich immer stärker profilieren können.

Haben die Unis genug Geld?

Scharinger: Das Geld ist knapp, das wird immer so bleiben. Daher werden sich die Universitäten noch stärker um Drittmittel bemühen müssen. Natürlich tun sich technisch-naturwissenschaftliche Fächer da leichter – besonders, wenn sie interessante Schwerpunkte setzen und auch dafür werben.

Welche Absolventen wünschen Sie sich als Wirtschaftsvertreter?

Scharinger: Die Studierenden sollten Auslandssemester nutzen und fächerübergreifend lernen. Ein Techniker muss sich auch juristisch und ökonomisch auskennen.

Wie kann man an den heimischen Unis Nobelpreisträger „züchten“?

Scharinger: Es gibt doch ohnehin hervorragende Forscher, die werden sich noch mehr darstellen müssen. Denken Sie an Markus Hengstschläger oder Josef Penninger! Die kommen schon!

Gibt's in Österreich vielleicht eine Scheu vor Elite und Hochleistung?

Scharinger: Das würde ich nicht sagen. Wir sind nur in manchen Bereichen zu bescheiden. Überlegen Sie nur, was dieser Paul Krugman (US-Wirtschaftsnobelpreisträger, der Österreich in Bankrottgefahr sah) oder die Herrschaften vom Internationalen Währungsfonds (die gerade zugeben mussten, das Risiko in Osteuropa zu hoch bewertet zu haben) von sich gegeben haben. Also, das ist kein Renommee! Zu lange haben wir bewundert, was aus Amerika kam. Wir brauchen wieder mehr Selbstbewusstsein. Der Ruf unserer Wirtschaft ist zurzeit schlechter als die Realität, und das gilt auch für unsere Universitäten.

Gibt's nicht eine Götterdämmerung der Wirtschaftswissenschaften, weil fast niemand die Krise erwartete?

Scharinger: Wir haben in erster Linie eine Krise in den Köpfen, eine Verunsicherungskrise. Es hat doch niemand für möglich gehalten, dass die USA die zweitgrößte Investmentbank, die Lehman-Brothers, einfach pleitegehen lässt.

Und was ist mit der Blase an abenteuerlichen Finanzprodukten?

Scharinger: Die Mitteleuropäer haben darauf hingewiesen. Das war alles nur Shareholder-Value-getrieben. Uns liegt das nicht, wir sind nicht diese Abcasher, sondern auf Nachhaltigkeit aus!

Groß können die Reserven aber auch nicht sein, wenn Banken allerorten Staatshilfe beanspruchen müssen.

Scharinger: Das ist für den Staat ein Mordsgeschäft. Ich bin froh, dass wir das nicht brauchen. Im Übrigen konzentriert sich die öffentliche Wahrnehmung nur auf Firmen mit Problemen: Autozulieferer, Transporter, Holzindustrie, Maschinenbau. Die 90 Prozent der Betriebe, denen es gut geht, sind zu leise. Die, die schwach sind, hatten schon in der Hochkonjunktur schwache Ziffern.

Welche Branchen boomen?

Scharinger: Etwa die Baubranche.

Was können die Unis tun?

Scharinger: In Prognosen stärker auf Positives achten. Die Konjunktur wird ja durch die psychologische Erwartungshaltung bestimmt.

Und was haben Sie als Uniratsvorsitzender gelernt?

Scharinger: Dass es wichtig ist, dass die guten Professoren sichtbar werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2009)

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