Lösungen für den Sonntagseinkauf

(c) Bloomberg (Lisi Niesner)
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Wien entgehen Millionen durch geschlossene Geschäfte, während es in acht anderen Bundesländern 500 Tourismuszonen gibt. Mit klaren Regeln wäre das Problem lösbar.

Wien. Tausende Menschen ziehen durch die Innenstadt. Es herrscht Gedränge in der Kärntner Straße, am Stephansplatz und am Graben. Die Eissalons und Cafés sind voll, Touristen stehen vor den Geschäften und betrachten interessiert die Auslagen. Der Stephansplatz ist voll, die Geschäfte menschenleer. So wie jeden Sonntag.

Vielen Händlern ist das ein Dorn im Auge. Und vielen Kunden. Im Jahr 2007 rebellierten einige Kaufleute im ersten Bezirk, stellten sich selbst in ihr Geschäft und öffneten an einem Sonntag ihr Geschäft. Das Ergebnis waren Strafen durch den Magistrat. Denn die Linie der Gewerkschaft ist klar: Kampf der Sonntagsarbeit – die gehe auf Kosten der Beschäftigten.

Umfrage gegen Umfrage

Walter Ruck, Neo-Präsident der Wirtschaftskammer Wien (WKW), verhandelt derzeit mit der Gewerkschaft über eine Tourismuszone. Also ein klar definiertes, von Touristen stark frequentiertes Gebiet, in dem die Geschäfte an Sonntagen öffnen dürfen. 73 Prozent der Unternehmer haben sich bei einer Kammer-Umfrage dafür ausgesprochen. Die Gewerkschaft konterte mit einer Gegenbefragung, bei der mehr als 90 Prozent der Handelsangestellten auf die Frage „Wollen Sie persönlich am Sonntag arbeiten?“ mit einem Nein geantwortet hatten. Derzeit wird zwar verhandelt (Bürgermeister Michael Häupl hatte erklärt, ohne Sozialpartnereinigung verordne er keine Tourismuszone), es klingt aber nach einem gordischen Knoten. Trotzdem sind Lösungen möglich. Und notwendig, weil sich gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen radikal geändert haben. Zu den Fakten:

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Gästeübernachtungen in Wien von 8,4 Millionen um 60,4 Prozent auf über 13,5 Millionen gestiegen – für 2020 werden 20 Millionen Nächtigungen erwartet. Das hängt vor allem mit den Billigfluglinien zusammen, die Städtereisen deutlich attraktiver gemacht haben. Und dem Trend zum Kurzurlaub.

Diese Gäste landen laut Tourismus-Erhebungen meist am Freitag und reisen am Sonntag ab. Am letzten Tag, wenn das touristische Pflichtprogramm absolviert ist, steht Shopping auf der Tagesordnung. Und dann stehen immer mehr Wien-Touristen vor versperrten Geschäften. Laut Wirtschaftskammer würde eine Tourismuszone zusätzlich 140 Millionen Euro Umsatz und 800 Arbeitsplätze bringen. Ob sie wirklich so viel bringt, ist nicht bekannt. Dass sie etwas bringt, ist aber nachvollziehbar. Das zeigt der Umstand, dass in der Wiener Hotellerie seit Beginn des Tourismusbooms gerade der Vier- und Fünf-Sterne-Bereich am kräftigsten von allen Hotelkategorien zugelegt hat. Dort nächtigen naturgemäß finanzstarke Touristen.

Dazu kommt: Immer mehr Einkäufe verlagern sich ins Internet. Und das oft am Wochenende. Wenn viele Menschen Zeit haben, sich entspannt vor den Computer zu setzen und bei Amazon, Zalando & Co. einzukaufen, sind die Wiener Geschäfte für einen Einkaufsbummel, den man mit einem sonntäglichen Spaziergang verbinden könnte, geschlossen.

Freiwilligkeit ist Voraussetzung

Daher sprechen viele Fakten für eine Tourismuszone. Nicht nur der Umstand, dass Österreich eines der restriktivsten Ladenschlussgesetze überhaupt hat, sondern auch ein Wiener Anachronismus: Österreichweit gibt es in der Zwischenzeit rund 500 Tourismuszonen – vom Bodensee bis zum Neusiedler See. Wien ist das einzige Bundesland, in dem es keine einzige Tourismuszone gibt, während sich in den Geschäften an Bahnhöfen (sie fallen nicht unter das Ladenöffnungsgesetz) die Menschenmassen schieben.

Auf der anderen Seite müssen für eine konstruktive Lösung die Befürchtungen der Gewerkschaft ernst genommen und eine Lösung gefunden werden. Im Falle einer Tourismuszone befürchtet die Gewerkschaft, dass Mitarbeiter gezwungen werden, an Sonntagen „freiwillig“ im Geschäft zu stehen. Nach dem Motto: „Entweder freiwillige Sonntagsarbeit oder Kündigung.“ Wobei es auf der anderen Seite aber viele (junge) Menschen gibt, die gerne am Sonntag arbeiten, da die Bezahlung dann besonders gut ist.

Wie kann eine Lösung in der Praxis aussehen? Die Wirtschaftskammer will eine Tourismuszone, welche die Innere Stadt, das Schloss Schönbrunn und die Mariahilfer Straße umfasst. Das sind große Pläne, welche die Gewerkschaft überfordern dürften. Daher wäre die Lösung, als Pilotprojekt die Innere Stadt als Tourismuszone zu widmen. Eine Evaluation nach z. B. drei Jahren zeigt, ob sich das Pilotprojekt für Geschäftsleute und Angestellte bewährt hat. Erst dann kann über eine Ausweitung diskutiert werden. Um Ängste der Gewerkschaften auszuräumen, müssten entsprechende Kontrollen samt klaren Sanktionen bei eventuellen Verstößen stattfinden. Beispielsweise könnte ein Ombudsmann für Angestellte installiert werden, der auch als Ansprechpartner für die Kaufleute dient.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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