Die ÖVP – eine Autofahrerpartei? „Das ist okay“

(c) Valerie Voithofer (Voithofer Valerie)
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Manfred Juraczka hält die FPÖ für zynisch, würde mit ihr aber verhandeln. Wien Energie will er sacht privatisieren.

Die Presse: Darf ich Ihnen zu Beginn ein paar Zitate vorlesen? „Die Ablöse von Ursula Stenzel ist schlecht gemacht worden. Das muss man auch sagen.“

„Ich beneide die Neos um ihre Spitzenkandidatin.

„Er bemüht sich sehr.“

Sie wissen, von wem sie stammen?

Manfred Juraczka: Das zweite ist von Ferry Maier (Anm.: Ex-Landesparteisekretär), das dritte von Ingrid Korosec (ÖVP-Gemeinderätin).

Und das erste stammt von Erhard Busek. Alle drei kommen aus der Wiener ÖVP. Sie sind der einzige Spitzenkandidat, der von seiner Partei härter kritisiert wird als von seinen Gegnern. Können Sie uns erklären, warum?

Wir sind halt keine Kaderpartei, bei uns hat jeder seinen eigenen Kopf. Das ist gut, aber es sorgt im Außen für Irritationen. Reinhold Mitterlehner hat einmal eine Medienanalyse in Auftrag gegeben, um herauszufinden, von wem die Parlaments-ÖVP am meisten kritisiert wird. An erster Stelle standen die politischen Mitbewerber, bereits an zweiter die eigene Partei. Wir machen es uns gegenseitig nicht einfach, dennoch möchte ich nicht irgendwo anders tätig sein.

Liegt es in Ihrem Fall nur an der ÖVP oder auch an Ihnen?

Ich habe zwei Dinge gemacht, für die man nicht nur geliebt wird. Ich habe erstens ein Vorzugsstimmensystem eingeführt. Das heißt: Alle müssen für ihr Mandat laufen. Und zweitens habe ich versucht, die Partei massiv zu verjüngen. Das finden alle toll − außer es betrifft sie selbst.

Wie sehr hat den Sebastian Kurz bei der Erstellung der verjüngten Liste mitgeredet? Der Außenminister ist Obmann der Jungen ÖVP und Ihr Stellvertreter.

Natürlich hat er sich eingebracht. Aber es gab in der Partei mehrere, die das für eine gute Idee hielten.

Wie passt – oft zitiertes Beispiel – denn Adi Tiller ins Verjüngungsprogramm, der sehr langjährige Bezirksvorsteher in Döbling?

Wissen Sie, der gute Adi Tiller hat allein in Döbling bei der letzten Wien-Wahl mehr Vorzugsstimmen gehabt als die Spitzenkandidatin der Neos bei der Nationalratswahl in ganz Wien. Wenn jemand so viel Zustimmung von den Wählern bekommt, heißt das, dass er für seinen Job brennt.

Nach dieser Logik hätte Ursula Stenzel Spitzenkandidatin im Ersten bleiben müssen. Oder finden Sie, dass sie bei der letzten Wahl schlecht abgeschnitten hat?

Danke für die Gelegenheit, mit einer Dolchstoßlegende aufzuräumen. Die Wahrheit ist: Sie hat uns selbst kommuniziert, dass sie nicht antreten wolle. Erst dann wurde – und zwar in Abstimmung mit ihr – die Sitzung des Bezirksparteivorstands ausgeschrieben, bei der Markus Figl als Spitzenkandidat zur Wahl gestellt werden sollte. Zwei Stunden vor der Sitzung hat sie ihre Teilnahme abgesagt und uns über die Medien ausrichten lassen, dass sie zur Verfügung stehe, wenn die Partei wolle. Das machte es ein bisschen schwierig. Figl wurde übrigens mit 100-prozentiger Zustimmung der eigenen Leute gewählt.

Nehmen Sie Ursula Stenzels Wechsel zur FPÖ persönlich?

So wie es gelaufen ist – wir haben ihr ja mehrere Alternativangebote gemacht, zum Beispiel eine Doppelspitze im Ersten –, fühlt man sich ein bisschen hinters Licht geführt. Aber Schwamm darüber, schauen wir in die Zukunft.

So rosig schaut Ihre Zukunft nicht aus.

Ich hatte in unseren internen Umfragen nur einmal eine Prognose, die schlechter als 12 Prozent war – sie betraf die Nationalratswahl 2013. Damals war von 11 Prozent die Rede. Zugegeben, da war ich nicht sehr entspannt. Geworden sind es dann aber 14,5 Prozent.

Sind 12 Prozent denn ein Anlass, sich zu entspannen?

Nein, gar nicht. Ich habe immer gesagt: Wir wollen stärker werden.

Aber müsste man als ehemalige Großpartei nicht sagen: Wenn wir ständig unter 14 Prozent sind, dann lassen wir es irgendwann bleiben?

Das ist leider ein europaweites Phänomen. Schauen Sie nach Frankreich, Schweden, Spanien. In schwierigen Zeiten wird der rechte und der linke Rand gestärkt, obwohl es das Falscheste ist, was man tun kann. Leider ist das auch in Wien nicht auszuschließen. Dabei bräuchten wir jetzt eine Politik der Vernunft, nicht pfiffige Parolen.

Was machen Sie eigentlich, sollte die ÖVP einstellig werden? Muss man sich dann neu gründen?

Das wird nicht passieren, andernfalls müsste man sich grundlegend Gedanken machen, wie man weitermacht.

Sie haben von linken und rechten Rändern gesprochen. Steht die FPÖ für Sie am rechten Rand?

Wir haben in Wien die FPÖ, die sehr weit rechts steht, und die Grünen, die sehr weit links sind.

Was passiert, wenn die FPÖ die stärkste Partei wird? Die ÖVP hat als Einzige eine Koalition nicht ausgeschlossen. Können Sie sich Strache als Bürgermeister vorstellen?

Leicht vorstellbar ist das nicht. Da gibt es einige Barrieren. Man muss nur an die FPÖ-Plakate denken. Jetzt „Wir grenzen niemanden aus“ zu affichieren – das ist zynisch.

Das war jetzt kein Nein.

Wir wissen alle, wie solche Verhandlungen laufen. Man redet erst über die Inhalte, dann über Personen. Ich halte es für eine demokratiepolitische Notwendigkeit, mit allen zu reden. Ob man die Inhalte dann mittragen könnte, ist eine andere Geschichte.

Heikel würde – Sie haben es schon angesprochen – das Thema Asyl: Was hätten Sie in Wien denn anders gemacht als Michael Häupl?

Wien kann das nicht allein lösen, aber es ist richtig, zu sagen: Alle, die hier sind, müssen menschenwürdig behandelt werden. Es gibt bei dem Thema zwei Emotionen in der Bevölkerung: Mitleid und Angst. Beide kann ich verstehen, aber weder die eine noch andere ist für die Politik der Vernunft brauchbar.

Hätten auch Sie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von Traiskirchen nach Wien geholt?

Ja, das war ein Zeichen der Menschlichkeit.

Die ÖVP versteht sich als Wirtschaftspartei. Was wäre Ihr wichtiger Vorschlag für eine Privatisierung in Wien?

Man könnte etwa 25 Prozent der Wien Energie privatisieren.

Warum nicht mehr?

Es wäre ein erster Schritt. Langfristig könnten es hundert Prozent sein.

Und nun bitte ein Beispiel für effizientes Sparen in Wien − der Abwechslung halber nicht das Beamtenpensionsalter.

Man kann bei allen Förderungen – auch den Wirtschaftsförderungen – sparen. Es bräuchte nur klare Kriterien.

Sollte man da auch über das Stadtfest der ÖVP reden?

Klar. Man kann überall sparen – auch beim Donauinselfest.

In Wien gibt es 150.000 Arbeitslose. Ihre Idee dazu?

Wir haben ein Elf-Punkte-Programm, dazu gehört sicher die Sonntagsöffnung für die Tourismuszonen. Laut Studien könnte man damit rasch 800 bis 1000 Arbeitsplätze schaffen. Ich verstehe nicht, warum das in acht Bundesländern geht, nur in Wien nicht. So viele Touristen wie das Burgenland werden wir wohl haben.

Die ÖVP inszeniert sich im Wahlkampf als Autofahrerpartei. Ist Ihnen dieses Etikett recht?

Es ist okay.

Als Autofahrerpartei: Wie stellen Sie sich Wiens Zukunft vor? Wie groß sollte der Modal Split, also der Anteil des Pkw-Verkehrs am Gesamtverkehr, sein?

Auch ich will den Autoanteil reduzieren. Aber dazu braucht es Anreize, Alternativen – etwa den U-Bahn-Ausbau an die Stadtgrenze –, nicht Verbote.

Die rot-grüne Stadtregierung will konkret den Pkw-Anteil bis 2030 von derzeit 28 auf 15 Prozent senken. Wäre das auch Ihr Ziel ?

Ich nenne keine Prozentzahl. Mir ist wichtig: Jeder soll sich sein Verkehrsmittel aussuchen können.

Auch jetzt zwingt mich keiner aufs Rad.

Aber man führt Tempo 30 auf Durchzugsstraßen ein. Das nennt man sanften Druck.

HÄUPL IM GESPRÄCH

Heute. Die „Presse“ lädt die Spitzenkandidaten von fünf Parteien der Wien-Wahl zum Interview vor und mit Publikum in den Heurigensalon (Zum Gschupften Ferdl, Windmühlgasse 20, 1060 Wien). Zwei fehlen noch: Als nächster ist heute, Donnerstag, SPÖ-Spitzenkandidat und Bürgermeister Michael Häupl zu Gast. Beginn ist – sehr pünktlich – um 18 Uhr. Nächste Woche (29.9., 17 Uhr) folgt dann Heinz-Christian Strache (FPÖ).

Anmelden kann man sich unter www.diepresse.com/heurigensalon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2015)

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