Wiens Grünen-Chefin Vassilakou: Von Konflikten in der Sikh-Gemeinde habe jeder gewusst, der sich mit ihr beschäftigte.
Die Presse: Sie wussten durch jahrelange Kontakte zur Wiener Sikh-Community von Konflikten?
Maria Vassilakou: Jeder, der sich mit der Sikh-Community beschäftigt, weiß, dass es unterschiedliche Strömungen gibt und immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kommt, die aber bisher immer friedlich ausgetragen wurden. Es ist kein Geheimnis, dass auch in Wien streng orthodoxe Sikhs leben, die versuchen, Einfluss zu nehmen und Druck auszuüben.
Würden Sie sagen, dass die Konflikte größer sind als in anderen Städten?
Vassilakou: So weit ich das beurteilen kann, entspricht das Bild der Wiener Gemeinde jenem der Londoner oder anderer. Der Unterschied ist nur, dass die Community in Wien sehr klein und leicht überschaubar ist.
Damit wäre die Gemeinde leichter zu beobachten?
Vassilakou: Genau, es wäre für die Sicherheitsbehörden ein Leichtes, sich zu informieren und am Laufenden zu sein, was in der Gemeinde passiert. Wenn man Wissen über eine Community hat, ist es leichter einzuschätzen, ob Gefahr droht. Wenn man hingegen die diversen Communitys völlig ignoriert, und sie ein Schattendasein fristen, kann es sein, dass man ein böses Erwachen erlebt.
Sie glauben aber nicht, dass man die Schießerei in dem Tempel hätte verhindern können?
Vassilakou: Nein, niemand ist so vermessen, zu behaupten, man könnte solche Vorfälle verhindern. Aber Vorbeugungsmaßnahmen wären wichtig. Wenn man so tut, als würde die Community einfach nicht existieren, wird man stets überrascht. Wenn der Vorwurf stimmt, dass um Schutz angesucht worden ist, beweist das ebenfalls die Ignoranz der Polizei.
Innenministerin Maria Fekter meinte in der Zeit im Bild 2, Lokalpolitiker hätten ihr Wissen über Konflikte in der Gemeinde dem Verfassungsschutz mitteilen sollen.
Vassilakou: Wären mir konkrete Hinweise vorgelegen, hätte ich diese selbstverständlich weitergegeben. Es ist nicht meine Aufgabe, radikale Strömungen zu observieren, sondern die der Behörden.
Hatten Sie seit Sonntag Kontakt zur Gemeinde?
Vassilakou: Ja, bei Wiens Sikhs herrscht Betroffenheit und die Angst, dass die gesamte Gemeinde als gewalttätig in Verruf kommt. Gerade die Sikhs stehen eigentlich für Gewaltfreiheit.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2009)