Ettl: „Bitte keine Koffer nach Brüssel wählen“

Scheidender SP-Mandatar Ettl mahnt mehr Harmonie unter EU-Abgeordneten ein.

Die Presse: Wird die SPÖ wieder Nummer eins?
Harald Ettl: Ja. Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aber ich glaube, es geht sich aus für die SPÖ, mit sehr vielen Abstrichen. Wir müssen gut kommunizieren, dass wir die Krise nur mithilfe der EU, des Euro bewältigen konnten. Ich hoffe, die SPÖ holt sieben Sitze, damit Herbert Bösch bleiben kann. Aber sechs werden es werden. Ich hätte mir so kantige Leute wie den Bösch schon weiter vorne auf der Liste gewünscht.

Und Volksabstimmungen über neue EU-Verträge?
Ettl: Die bringen eine hohe Identifikation auch der Regierungen mit Europa. Wenn nicht diskutiert wird daheim, dann haben die Straches und wie sie heißen Aufwind. Wenn die Regierungsparteien gegen Stimmungen standhalten und nicht nur Tagespolitik betreiben, wird Europa daheim ein besseres Standing haben. Die paar Hanseln heraußen in Brüssel und Straßburg werden das nicht allein schaffen. Das ist zu wenig. Man braucht Verbündete, ob das Politiker des Nationalrats oder der Regierung sind, die für und zu Europa stehen.


Aber einige Proeuropäer haben die Regierung verlassen, sind nun unter Faymann nicht mehr dabei.
Ettl:
Sicher, von der Kompetenz her hätte man Maria Berger für den EU-Kommissar nominieren können, nicht wie jetzt für den Europäischen Gerichtshof. Natürlich wünsche ich mir einen kompetenten Sozialkommissar nach fünf Jahren ?pidla, den man schwer motivieren musste.


Ist für die SPÖ ein Kommissar nicht wichtiger als ein EU-Richter?
Ettl: Ein Kommissar oder eine Kommissarin hat viel stärkeren Einfluss und auch eine stärkere Präsenz zu Hause. Neben Berger wäre auch Swoboda ein exzellenter Kommissar gewesen. Offenbar demonstriert man in der Frage aber Einigkeit mit der ÖVP.


SPÖ-Spitzenkandidat Swoboda war zuerst kritisch zum „Krone“-Brief Faymanns und Gusenbauers zu Volksabstimmungen über neue EU-Verträge. Ist das jetzt ein Schlingerkurs im Wahlkampf?
Ettl: Sicher nicht. Swoboda hat sich in seiner Entscheidungsstruktur nach außen transparent gemacht. Ich selbst habe in der „Krone“ bis zum Brief ja nur das Horoskop gelesen, weil es immer so freundlich war. Das Horoskop hat mich von der „Krone“ immer am meisten zufriedengestellt.


Wie groß ist bei der EU-Wahl der Druck von rechts?
Ettl: Ich gehe davon aus, dass die österreichische Bevölkerung einen guten Instinkt für Leute mit Kompetenz hat. Ich hoffe, dass keine Koffer heraus nach Brüssel und Straßburg gestellt werden. Inkompetenz kann freilich bei allen Parteien vorkommen. Es braucht Kompetenz. Insbesondere für ein kleines Land mit nur 17 Abgeordneten, die wir künftig haben. Es braucht ein harmonisches österreichisches Team. Ich gehe mit einem weinenden Auge, denn für mich hatte die EU eine ganz großartige Integrationskraft. Es war ein Privileg, überhaupt nominiert worden zu sein als EU-Mandatar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2009)

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