Falls das Kleinkundengeschäft von der Bank Austria an die Bawag geht, könnten Konkurrenten profitieren. Aber es überwiegt die Sorge um den Standort – und Kritik an der Bankensteuer.
Wien. Über Gerüchte schweigt man lieber, zumindest offiziell. Aber hinter vorgehaltener Hand macht sich die heimische Bankenszene Sorgen wegen des unsicheren Schicksals der Bank Austria. Sie gehen auch über den Finanzbereich hinaus: Was, wenn das Beispiel der UniCredit Schule macht? Wenn international tätige Konzerne ihre Zentralen oder Osteuropa-Headquarters aus Österreich abziehen? Das wäre ein schwerer Schlag nicht nur für die Banken, sondern für den gesamten Wirtschaftsstandort.
Dabei könnten sich manche Konkurrenten der Bank Austria ja vordergründig die Hände reiben: Wenn deren Geschäft mit den kleineren Kreditnehmern tatsächlich an die Bawag in Cerberus-Hand geht, könnten sie beim Kundenfang daraus recht einfach Kapital schlagen. Indem sie nämlich auf den Österreich-Bonus setzen: Geht nicht zum amerikanischen Hedgefonds, kommt zu einer „echt österreichischen“ Bank!
Die Schätzung lautet: Rund ein Fünftel aller Kleinkunden ließe sich abwerben, weil sie mit dem Eigentümerwechsel nicht einverstanden wären. Allein: Das macht niemanden wirklich froh. Denn vom Retail-Geschäft, zu dem auch Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen gehören, kann derzeit und auf Sicht niemand gut leben, vor allem wegen der von der EZB einbetonierten Minizinsen. Dazu kommt der kostspielige Wandel im Kundenverhalten: Das Onlinebanking muss mit hohen Investitionen ausgebaut werden. Leibhaftige Filialen braucht es aber trotzdem weiterhin, vor allem für ältere Kunden.
Deutsche drängen ins Firmengeschäft
Die Bank Austria, so die typische Analyse, war im Retail nie richtig profitabel. Deshalb sei dieses Institut von der aktuellen Ertragsschwäche des Segments besonders betroffen, trotz aller Bemühungen von Bankchef Willibald Cernko, die Kosten zu senken. Das weit ertragreichere Kreditgeschäft mit größeren Unternehmen soll zwar im kolportierten Szenario formal bei der Bank Austria verbleiben. Aber es dürfte innerhalb des UniCredit-Konzerns nach München wandern, zur Hypo-Vereinsbank (HVB). Dort werde man sich jedenfalls nicht vom Privat- und Firmenkundengeschäft trennen, bestätigten am Dienstag Abend mit der Umstrukturierung vertraute Personen zu Reuters. Und das hat seine Gründe; etwa die Bankensteuer, die es in Deutschland nicht gibt. Das führe zu einer „krassen Wettbewerbsverzerrung“, findet Raiffeisen-International-Chef Karl Sevelda. Denn damit kosten heimische Kredite für die begehrte Klientel um 16 Basispunkte mehr als bei der deutschen Konkurrenz. 0,16 Prozent: Das klingt nach nicht viel. Aber bei großen Volumina, wie Krediten für ATX-Firmen oder in der Exportfinanzierung, macht es doch einiges aus – und kann der entscheidende Vorteil sein. Die deutschen Banken, weiß Sevelda, haben den Braten längst gerochen: „Sie drängen nach Österreich.“ Im Visier sind nicht nur große Konzerne: „In Oberösterreich sind die erfolgreichen Mittelständler schon fast alle auch bei einer deutschen Bank.“
Im Dunkel bleibt, wie das Sparprogramm und der Konzernumbau bei UniCredit wirklich aussehen werden. Erst am 11. November präsentieren die Italiener ihre Pläne. Aber die Branche hofft, schon am Sonntag inoffiziell mehr zu erfahren: auf einem Bankentreffen, zu dem die UniCredit nach Rom lädt. (gau)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2015)