Die Botschafter bereiten alle Treffen auf Ministerebene vor

Ausschuss der Ständigen Vertreter. Im Fachjargon heißen die wöchentlichen Ausschüsse auf Botschafterebene Coreper. Dort werden Positionen diskutiert, bevor die Ressortchefs selbst nach Brüssel reisen. Die Zusammenarbeit der Diplomaten funktioniert oft besser als jene der Politiker.

Wien. Sie loten gemeinsame Positionen zu Gesetzesvorschlägen der EU-Kommission aus, ehe sich die Ressortchefs selbst treffen: die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU, die in regelmäßigen Sitzungen die Ministerräte vorbereiten. Im Brüsseler Fachjargon werden diese Ausschüsse Coreper genannt (Comité des représentants permanents). Ihre zentrale Aufgabe ist es, „die Arbeiten der verschiedenen Ratsformationen zu koordinieren, die Kohärenz der EU-Politik in den einzelnen Fachbereichen zu gewährleisten sowie Kompromisse herbeizuführen, die dem Rat zur Annahme vorgelegt werden“. Der Coreper wird von über 150Arbeitsgruppen unterstützt, die die technischen Arbeiten erledigen, ehe eine Entscheidung auf politischer Ebene gefällt werden kann. An den Ausschüssen selbst nehmen auch Beamte der EU-Kommission teil.

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter teilt sich in zwei Gruppen: Coreper I, der sich aus den Vertretern der Botschafter zusammensetzt, und Coreper II, dem die Botschafter selbst beiwohnen. Während Letzterer für die Vorbereitung der Ratsformationen Wirtschaft und Finanzen, Auswärtige und Allgemeine Angelegenheiten sowie Justiz und Inneres zuständig ist, beackert Coreper I die Themen Landwirtschaft und Fischerei, Wettbewerbsfähigkeit, Bildung, Jugend, Kultur und Sport, Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz, Umwelt, Verkehr, Telekommunikation und Energie. Die Vorbereitungsarbeiten von Coreper I erledigt die informelle Mertens-Gruppe, für Coreper II ist die Antici-Gruppe zuständig. Sie sollen eine erste Vorstellung der von den einzelnen Delegationen vertretenen Standpunkte vermitteln.

Zwar müssen die Teilnehmer der Coreper-Sitzungen sich an die oftmals sehr klar definierten Weisungen ihrer Regierung halten und bei den wöchentlichen Sitzungen auch deren Position vertreten. Der Vorteil gegenüber den Treffen auf Ministerebene aber liegt auf der Hand: Der nationalstaatliche Blickwinkel der Ständigen Vertreter ist durch ihr Leben in Brüssel und den permanenten Austausch auf europäischer Ebene weniger ausgeprägt, als dies bei den eigens aus den Hauptstädten anreisenden Ressortchefs der Fall sein mag.

Bei wenig kontroversiellen Themen kann der Coreper bereits Entscheidungen treffen, die von den Ministern dann als sogenannte A-Punkte ohne weitere Debatte nur noch durchgewinkt werden. Dies betrifft mit durchschnittlich 80Prozent den Großteil aller Gesetzesvorhaben. Die restlichen, politisch eher strittigen Vorlagen kommen als B-Punkte auf die Tagesordnung der zuständigen Ministerräte.

Kein eigenes Entscheidungsorgan

Allerdings ist die Coreper-Gruppe kein eigenes Entscheidungsorgan der EU – so kann jede dort erzielte Einigung grundsätzlich vom Ministerrat hinterfragt und im Einzelfall auch zurückgenommen werden.

Der Ständige Vertreter Österreichs bei der EU ist seit 2010 der ÖVP-nahe Berufsdiplomat Walter Grahammer. Seine Karriere hatte ihn bereits nach Algerien, Prag, Luxemburg und von 2004 bis 2009 einmal, als Stellvertreter seines Vorgängers, Dietmar Schweisgut, ins Zentrum der EU geführt. Davor war Grahammer bereits Kabinettschef der damaligen Außenministerin und späteren EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner. (aga)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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