Journalisten, PKK-Anhänger, Gülen-Freunde. Die Partei von Präsident Erdogan macht deutlich, wie sie mit ihren Gegnern umzugehen gedenkt.
Die Türkei kommt nach den Parlamentswahlen am Sonntag nicht zur Ruhe. Die siegreiche AKP greift nach ihrem Wahlsieg hart gegen ihre Gegner durch: Kritische Journalisten wurden ebenso festgenommen wie zahlreiche Anhänger des Predigers und Erdogan-Gegners Fethullah Gülen. Im Osten der Türkei gab es bewaffnete Auseinandersetzungen mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK - drei junge Männer kamen ums Leben.
Zudem flog demnach die Luftwaffe Angriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak. PKK-Vertreter warfen der Regierung vor, den Konflikt eskalieren zu lassen. Die am Sonntag erneut ins Parlament gewählte prokurdische Partei HDP forderte die Regierung auf, mit den Aufständischen eine Waffenruhe zu vereinbaren. Die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bei der Wahl am Sonntag die absolute Mehrheit zurückgewonnen. Erdogan hat angekündigt, den Kampf gegen die PKK fortzusetzen.
Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurde in der osttürkischen Stadt Silvan ein 22-Jähriger getötet, nachdem Mitglieder der PKK-Jugendorganisation Gräben ausgehoben hätten, um die Polizei aus einigen Stadtvierteln fernzuhalten. In mehreren Stadtteilen sei eine Ausgangssperre verhängt worden. Zwei weitere Männer seien in Yüksekova nahe der iranischen Grenze bei Zusammenstößen mit der Polizei erschossen worden.
35 Festnahmen in Izmir
Zudem geht die Regierung einem Medienbericht zufolge weiter gegen Anhänger des Islampredigers Fethullah Gülen vor und nahm in der Provinz Izmir 35 Menschen fest, drunter leitende Regierungsangestellte und Polizisten, berichtete die Nachrichtenagentur Dogan. Der im US-Exil lebende Gülen gilt als Erzrivale Erdogans, der ihn beschuldigt, in der Türkei einen Umsturz vorzubereiten.
Die PKK erklärte, die AKP habe entschieden, einen Krieg voranzutreiben, der das Land innen- und außenpolitisch in eine tiefe Krise treibe. Die HDP forderte ein Ende der Gewalt. "Wir erwarten, dass die Regierung die Militär- und Polizeioperationen stoppt und den Willen zu einem Waffenstillstand zeigt." Seit 1984 haben im Kurdenkonflikt mehr als 40.000 Menschen ihr Leben verloren.
Redaktion gestürmt
Ebenfalls am Dienstag sind zwei regierungskritische Journalisten unter dem Vorwurf eines "Putschversuchs" angeklagt worden. Der Chefredakteur und der leitende Redakteur des liberalen Nachrichtenmagazins "Nokta" seien wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die Regierung gewaltsam stürzen zu wollen, teilte das Magazin über Twitter mit.
Hintergrund ist die Titelseite des Magazins nach der Parlamentswahl vom Sonntag. Die Aufmacherseite zeigte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit der Aufschrift "Montag, 2. November, Beginn des türkischen Bürgerkrieges".
Redaktion gestürmt
Die Polizei hatte am Montag die "Nokta"-Büros in Istanbul gestürmt und die beiden Journalisten Cevheri Guven und Murat Capan festgenommen. Ein Gericht in Istanbul ordnete anschließend an, dass die jüngste Ausgabe des Blatts aus dem Handel genommen werden müsse, da die Öffentlichkeit darin zu einem Verbrechen angestachelt würde.
Während des Wahlkampfes in der Türkei waren die Behörden wiederholt gegen Medien vorgegangen, die sich kritisch über Staatschef Erdogan äußerten. Vor laufender Kamera wurde etwa der Sitz des Medienkonzerns Koza-Ipek gestürmt und die Kontrolle über zwei Fernsehsender übernommen. Die Polizei setzte dabei Tränengas und Wasserwerfer ein. Bei "Nokta" gab es bereits im September eine Razzia wegen eines Titelblatts, das sich satirisch mit Erdogan auseinandersetzte.
EU fokussiert auf Flüchtlingsproblematik
Die EU-Kommission bleibt zurückhaltend, was die Auswirkungen des Wahlausgangs in der Türkei auf die Flüchtlingskrise betrifft. Die Verhandlungen mit der Türkei über die Bewältigung der Flüchtlingsströme werde fortgesetzt und "wir hoffen auf gute Fortschritte in den kommenden Wochen", erklärte eine Sprecherin.
Außerdem wurde darauf verwiesen, dass die handelnden Akteure seitens der Türkei nach dem Wahlsieg der AKP die gleichen seien wie bisher. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe "mit Recep Tayyip Erdogan und Ahmet Davutoglu persönlich" den Aktionsplan besprochen und diese Leute würden weiterhin ihren Ämtern sein.
Ob der Fortschrittsbericht der EU-Kommission über die Türkei schon diese Woche in Brüssel vorliegen könnte, wurde nicht bestätigt. Gleichzeitig unterstrich die Brüsseler Behörde die Bedeutung der Freiheit der Medien, "unsere Position ist hinlänglich bekannt".
(APA/AFP/Reuters)