Regierung brachte ein Sparpaket nur mit sehr knapper Mehrheit durch das Parlament. Weitere harte Maßnahmen stehen aber noch an.
Athen. Nur zwei Monate nach den Parlamentswahlen Ende September ist die griechische Regierungskoalition aus radikalem Linksbündnis Syriza und den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) im Parlament bereits auf dem Weg in Richtung Minderheitsregierung. Donnerstagabend passierte ein Sparpaket, das die Regierung von Premier Alexis Tsipras mit den internationalen Gläubigern des Landes vereinbart hatte, mit lediglich 153 Stimmen das 300-köpfige Parlament.
Ein herber Schlag für die Regierung ist auch der Rücktritt des ehemaligen Regierungssprechers, des Syriza-Abgeordneten Gavriil Sakellaridis, der als Vertrauensmann von Tsipras gegolten hatte. Die schnelle Aushöhlung der Mehrheit ist ein schlechtes Zeichen für die weitere Regierungsarbeit der Koalition. Es stehen harte Maßnahmen, wie die Reform des griechischen Versicherungssystems, die Gründung der neuen Privatisierungskasse und die Besteuerung der Bauern auf dem Programm, die Abgeordneten der Regierung dürften in ihren Wahlkreisen unter Druck kommen. Die Mehrheit für die Vorlagen ist unsicher. Syriza weht auch auf der Straße ein kalter Wind entgegen. Am diesjährigen Jahrestag des Aufstands der Studenten gegen die griechischen Obristen vom November 1973 wurde Tsipras bei der Kranzniederlegung als „Schande“ für die griechische Linke beschimpft – ungewohnte Attacken für einen Volkstribun.
Auch das Maßnahmenpaket selbst ist kein Ruhmesblatt für die Koalition. Nach monatelangem Streit um die Anhebung der Mehrwertsteuer bei privaten Bildungseinrichtungen machte die Regierung einen Rückzieher. Andere Maßnahmen wurden gefunden: Einerseits werden Wetten höher besteuert, andererseits eine Sonderverbrauchssteuer auf Wein eingeführt. Kopfschütteln bei Wirtschaftsexperten war die Folge – Wein ist eines der Exportgüter des Landes, die Steuer belastet die Produktion und vermindert die Wettbewerbsfähigkeit am internationalen Markt. Ein emotionales Thema war auch der Schutz der Erstwohnsitze der Griechen. Letztlich wird nur etwa ein Viertel der Schuldner direkt geschützt, als Kriterien werden das Familieneinkommen und der Wert der Immobilie herangezogen.
Freigabe von zwei Milliarden Euro
Aber es gab auch Anlass zur Freude bei der Regierung. Das Sparpaket ermöglichte die Freigabe von zwei Milliarden Euro Hilfsgeldern für Griechenland. Viel wichtiger ist aber die nun mögliche schnelle Rekapitalisierung der Banken. Das bedeutet, dass nach Verabschiedung des Pakets von Donnerstag die zehn Milliarden Euro, die für die Rekapitalisierung der Banken vorgesehen waren, freigegeben werden können – wenn sie gebraucht werden. Der letzte Crash-Test der griechischen Systembanken hatte einen Finanzierungsbedarf von höchsten zehn Milliarden Euro geortet. Zwei der griechischen Banken, Alpha und Eurobank, haben bereits ihren gesamten Finanzierungsbedarf durch private Investoren aufbringen können. Aller Voraussicht nach wird die griechische Bankenrettung also weniger als zehn Milliarden Euro kosten, ganz zu schweigen von den ursprünglich veranschlagten 25 Milliarden.
Am Freitag wurde auch der Budgetentwurf des Jahres 2016 vorgestellt: Es dürfte im Jahr 2015 trotz der Kapitalkontrollen und der erzwungenen Bankenferien im Sommer zu keiner Schrumpfung der griechischen Wirtschaftsleistung gekommen sein. Die Prognosen liegen bei einem Null-Wachstum. Für 2016 allerdings wird eine Schrumpfung des Volkseinkommens um 0,7 Prozent vorhergesehen, als Spätfolge der Bankenschließungen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)