Der Stopp für "Wirtschaftsflüchtlinge" an der mazedonisch-griechischen Grenze zeigt auch in Österreich Wirkung. Nun bildet sich aber ein Rückstau in Griechenland.
Ljubljana/München. Die Grenzschließungen für alle Zuwanderer außer Flüchtlingen aus Syrien, Irak und Afghanistan zeigen Wirkung. Am Wochenende kamen deutlich weniger Menschen in Slowenien und damit auch in Österreich an. Bereits am Samstag erreichten nur noch knapp 3000 Slowenien. Das war die niedrigste Zahl seit dem Fährenstreik in Griechenland vor zwei Wochen. Am Sonntag wurde der Rückgang auch an der slowenisch-österreichischen Grenze bei Spielfeld erkennbar. Polizeisprecher Wolfgang Braunsar sprach von einer „sehr ruhigen“ Lage. In Spielfeld befanden sich am Sonntagnachmittag 1600 Menschen, in Bad Radkersburg 600.
Seit Mitte der vergangenen Woche lassen Mazedonien, Serbien und Kroatien Menschen, die nach ihrer Ansicht Wirtschaftsflüchtlinge sind, nicht mehr weiterreisen. Passieren dürfen seither nur noch Personen mit syrischen, irakischen oder afghanischen Reisedokumenten. Das ist jene Personengruppe, die in den EU-Staaten derzeit Aussicht auf ein positiv abgeschlossenes Asylverfahren haben. In Österreich hat der steirische Landeshauptmann, Hermann Schützenhöfer (ÖVP), ein gleiches Vorgehen wie in den Westbalkanländer auch an heimischen Grenzen gefordert. Dort werden alle Ankommenden neuerlich kontrolliert.
Die neuen Maßnahmen haben bereits zu einem Rückstau an der mazedonisch-griechischen Grenze geführt. Hier kam es am Wochenende zu dramatischen Szenen. Mehr als 1000 abgewiesene Migranten besetzten die Eisenbahnstrecke zwischen Griechenland und Mazedonien. Ein nicht durchgelassener Mann drohte damit, Selbstmord zu begehen. Laut dem serbischen Ministerpräsidenten, Aleksandar Vučić, steigt die Zahl der zurückgewiesenen Personen ständig und hat am Wochenende bereits mehrere tausend Personen erreicht.
An der mazedonisch-griechischen Grenze wurde deshalb das Aufgebot an Sicherheitskräften verstärkt. Serbien bot dem Nachbarland Unterstützung an, erwartet aber auch eine Hilfe der Europäischen Union. Eine erste Zusage kam von EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er versicherte nach einem Treffen mit Vučić: „Wenn wir Schengen aufrechterhalten wollen, müssen wir den Westbalkan unterstützten.“
Gefälschte Pässe auf Lesbos
Die neuen Beschränkungen auf der Balkanroute haben bereits Fälscher auf den Plan gerufen. Sie versuchen offenbar, Flüchtlingen, die über keine syrischen, irakischen oder afghanischen Pässe verfügen, gefälschte Dokumente anzubieten. Griechische Sicherheitskräfte haben in den vergangenen Tagen auf Lesbos insgesamt zwölf Personen verhaftet, die dort Dokumente für Migranten gefälscht haben sollen. Wie griechische Medien berichteten, gehören der Gruppe acht Pakistani und drei Griechen an.
Seit der Wiedereinführung der Grenzkontrollen in Schweden ist auch dort die Zahl an neu ankommenden Flüchtlingen zurückgegangen. Sie sank um etwa ein Drittel. Statt täglich 1500 Personen kamen nur noch etwa 900 an, teilte die schwedische Einwanderungsbehörde am Wochenende mit. Dies liege möglicherweise aber auch an den schlechteren Wetterbedingungen. Nach Angaben des Innenministeriums in Stockholm sollen die Grenzkontrollen bis 11. Dezember verlängert werden.
Erster Schnee an Bayerns Grenze
Der erste Schnee stellte indessen die österreichischen und bayrischen Behörden an den gemeinsamen Grenzübergängen vor neue Herausforderungen. Zwar können sich die Flüchtlinge, die dort bis zu 24 Stunden auf die Weiterreise nach Deutschland warten müssen, in beheizten Zelten aufwärmen, doch eine langfristige Lösung soll das nicht sein. Es fehlt an winterfesten Übernachtungsmöglichkeiten. In den nächsten Wochen sollen deshalb winterfeste Zelte die jetzigen Zelte an den drei Grenzübergängen und am Passauer Bahnhof ersetzen. „Wir sind den Winter gewohnt, und wir hoffen, dass wir genügend vorbereitet sind“, sagt der österreichische Polizist Ludwig Scheuer.
Auch die meisten Flüchtlinge kennen den Winter aus ihrer Heimat. Auf ihrer wochenlangen Flucht über die Balkanroute wurde die Kälte jedoch zu einer weiteren Strapaze. „In Slowenien haben wir eine Nacht in einem Zelt geschlafen, in dem es so kalt war, dass wir Angst hatten zu erfrieren“, erzählt Omar aus Syrien. Er hat in Wegscheid zwei Pullover übereinander an, seine Jacke und sein Gepäck hat er auf der Flucht verloren. (red., ag.)
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2015)