Grüne: Die Angst vor den Wählern

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Internet-Blogger wollen bei der Kandidatenauswahl für die Wiener Wahl mitreden. Doch vielen in der Partei ist das nicht recht.

Wien. Was macht eine Partei, wenn sich hunderte Sympathisanten plötzlich engagieren wollen? Sie fürchtet sich! Zumindest bei den Wiener Grünen scheint das der Fall zu sein, seit sich auf den Internetplattformen Facebook und Twitter eine Community zusammengefunden hat, die bei der Kandidatenauswahl für die Wiener Gemeinderatswahl mitreden will. Grundlage ist das Parteistatut, das es auch „Unterstützern“ ermöglicht, an den Vorwahlen im November teilzunehmen.

Insgesamt 406 potenzielle Unterstützer haben sich eingefunden, die einen Antrag abgeben wollen. Doch nur ein Teil von ihnen wird tatsächlich akzeptiert. Angst vor Unterwanderung und „Autobusdemokratie“ (Kandidaten mit großem Freundeskreis setzen ihre Unterstützer in einen Autobus und fahren damit zur Wahlveranstaltung) hat die Partei bewogen, die Anträge genau zu prüfen. Das soll bis Ende des Monats abgeschlossen sein.

Um welche Größenordnungen es sich dabei handelt, will Landesgeschäftsführer Robert Korbei noch nicht sagen. Die Kriterien für eine Annahme: eine „Teilhabe an den Grünen“. Sprich: Wer schon bei grünen Projekten mitgearbeitet hat, darf sich an der Kandidatenauswahl beteiligen. „Sich nur in einem Blog im Sinne der Grünen zu äußern, ist zu wenig“, so Korbei zur „Presse“. Man versuche aber, die Kriterien möglichst großzügig auszulegen. Korbei: „Wenn wir die Vermutung haben, dass in Zukunft Taten gesetzt werden, reicht das auch.“ Viele Unterstützer erhalten jetzt Post der Grünen, wonach sie ihr Engagement näher erläutern sollen.

Doch diese Linie ist auch in der Landesorganisation selbst umstritten. Da gibt es prominente Mandatare wie den früheren Stadtrat Christoph Chorherr, der alle Unterstützer aufnehmen will. „Die bringen all das mit, wofür wir Grünen eigentlich stehen: Engagement, Fantasie, Witz, Eleganz.“ Ein derartiges Unterstützungskomitee aufzubauen, wie es sich hier spontan und freiwillig gebildet hat, wäre eine teure Sache, ist das grüne Urgestein überzeugt.

Auch andere aus dem „Realo-Flügel“ der Wiener Grünen, wie die Abgeordneten Marie Ringler oder Sigrid Pilz, sehen die Aktion der Internetcommunity positiv. Der linke Fundi-Flügel und der größere Teil der Funktionäre steht den Aktivisten dagegen mit Skepsis gegenüber.

Maria Vassilakou, grüne Klubchefin im Rathaus und stellvertretende Bundessprecherin, gehört eindeutig dem Realo-Flügel an. Sie will möglichst alle aufnehmen, stößt aber an die Grenzen des grünen Parteiapparats. „Wir haben eben nicht die politische Kultur, bei der es einen Chef gibt, der alles anschafft“, sagt Vassilakou. Für diejenigen, die für nicht würdig befunden wurden, als Unterstützer zu agieren, hat sie aber ein Angebot parat: Sie sollen Parteimitglied werden. Denn diese sind bei der Landesversammlung generell wahlberechtigt.

Bundessprecherin Eva Glawischnig stärkt ihrer Stellvertreterin den Rücken. Die Internet- und Blogger-Szene sei natürlich eine relevante Gruppe für die Grünen. „Ich freue mich über jeden und jede, die mitarbeiten will.“ Die formalen Details seien freilich von der Landesorganisation zu klären.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2009)

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